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Die führenden Personen der AfD: Alice Weidel und Tino Chrupalla.

© picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Nach Einstufung als gesichert rechtsextremistisch: Ein AfD-Verbotsverfahren wäre riskant – aber richtig

Abwarten, bis die Demokratie scheitert, Gerichte nicht mehr respektiert werden und das politische System umgebaut wird, ist keine Option. Jetzt ist der Moment für ein Verbotsverfahren gekommen.

Stefanie Witte
Ein Kommentar von Stefanie Witte

Stand:

Der Versuch, die AfD zu verbieten, hätte viele Nachteile. In den ostdeutschen Bundesländern liegt die Partei in Umfragen teils satt über dreißig Prozent. Bundesweit sehen sie Demoskopen schon vorne. Läuft das Verfahren an, wird es zuallererst eines auslösen: eine verschärfte Polarisierung im Land.

Die Partei wird sich ihrerseits als Opfer politischer Feinde stilisieren, die ihre Macht nicht hergeben wollen. Schlimmstenfalls drohen Ausschreitungen. Die Demokratie könnte weiter leiden und am Ende wäre nichts gewonnen.

Aber: Es lohnt auch ein realistischer Blick auf Szenarien, insbesondere für 2029. In diesem Jahr würde regulär der nächste Bundestag gewählt. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Rot-Schwarz bis dahin nicht derart abgeliefert hat, dass es für die AfD kein Potenzial mehr gäbe.

Verwerfliche Parolen auf Parteiveranstaltungen

Erfolg allein ist selbstverständlich kein vernünftiger Grund, eine Partei zu verbieten. Verfassungsfeindlichkeit aber schon. Ein notwendiges Kriterium in dem Zusammenhang ist, dass die Partei ausreichend Einfluss gewinnt oder gewinnen könnte, die Verfassung anzugreifen.

Zur Wahrheit gehört, dass sich viele AfD-Anhänger nicht überzeugen lassen werden, weil es um gefühlte Wahrheiten, um gefühlte Ungerechtigkeiten geht, um eine Sicherheitslage, in der jede Straftat eines Ausländers als Beweis für eine unverantwortbare Gesamtlage gewertet wird.

Autorin Stefanie Witte

Es droht eine Situation wie in den Ländern Ostdeutschlands: Alle übrigen Parteien, egal wie kompatibel, müssten kooperieren. Es drohen Stillstand, Politikverdrossenheit und Neuwahlen, die sukzessive die rechten und linken Ränder stärken. Den Schalter, der umzulegen wäre, um diese Entwicklung zu verzögern, zu stoppen, gar umzukehren, hat bislang keine demokratische Partei gefunden.

Im Kern kommt es nun darauf an: Ist die AfD nachweislich verfassungsfeindlich?

Führungszirkel: Tino Chrupalla (l.), Alice Weidel (2. v. l.) und Björn Höcke (r.) bei der Wahlparty der AfD in der Bundesgeschäftsstelle.

© dpa/Sören Stache

Ein Schlaglicht: Bei Parteiveranstaltungen ist mittlerweile vielfach „Alice für Deutschland“ zu hören, in Anlehnung an die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“. Nach zwei Gerichtsverfahren gegen den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke kann niemand mehr behaupten, er wisse nicht, was das bedeute.


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In der AfD dominiert nicht der Kampf um die besten Lösungen, sondern Hass auf bestimmte Bevölkerungsgruppen. Die Partei versteht sich als Vertreterin eines homogenen Volkes, wobei sie selbst bestimmt, wer dazugehört und wer nicht. Sie definiert Zugehörigkeit nach Ethnie, politischer Haltung und Religion.

Die Demokratie kann sich selbst abschaffen

Zum Kern der deutschen Demokratie gehört, jeden Menschen als Individuum mit Rechten und Pflichten zu verstehen. Die AfD bricht mit diesem Verständnis und differenziert eigenmächtig, wer dazugehören soll: Muslime? Eher nicht. Blauäugige, blonde Frauen? Klar, wenn sie die richtige Gesinnung zeigen … Woran erinnert das?

Fest steht: Die AfD hält nichts von Pluralismus, von unterschiedlichen Meinungen, von Kompromiss. Sie definiert Demokratie als das Recht des Stärkeren, kämpft mit populistischen Parolen, hetzt gegen Minderheiten, statt sie schützen zu wollen. Sie äußert sich verächtlich gegenüber dem Rechtsstaat, Gerichten, demokratischen Institutionen und ihren Vertretern.

Absichtserklärungen helfen nicht mehr. Man möge mehr zuhören, eine bessere, überzeugendere Politik machen? Zur Wahrheit gehört, dass sich viele AfD-Anhänger nicht überzeugen lassen werden, weil es um gefühlte Wahrheiten, um gefühlte Ungerechtigkeiten geht, um eine Sicherheitslage, in der jede Straftat eines Ausländers als Beweis für eine unverantwortbare Gesamtlage gewertet wird.

Es ist eine Illusion, zu glauben, man müsse jetzt nur endlich bessere Politik machen und die Wähler reagierten rational und sachbezogen. Was Aussitzen oder Abwarten bewirkt, lässt sich in den Nachbarstaaten beobachten wie auch in den USA.

Fest steht: Die Demokratie kann sich selbst abschaffen. Und der Rechtsstaat kann versuchen, sich gegen solche Bestrebungen zu wehren. Umgekehrt hat die AfD das Recht, sich gegen all das rechtlich zu wehren. Und ja, selbst wenn ein Verbot kommen sollte, ist das Problem damit nicht gelöst. Es droht Widerstand, vor allem im Osten.

Dennoch: Abzuwarten, bis die Demokratie scheitert, bis Gerichte nicht mehr respektiert werden und das politische System umgebaut wird, ist keine Option. Ein demokratisches Recht, für eine verfassungsfeindliche Partei zu votieren, gibt es zum Glück nicht.

Die Zeit für ein Verfahren ist jetzt.

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