zum Hauptinhalt
Update

Rechtsextremismus: Neonazi-Aufmarsch in Dresden verhindert

Mehrere tausend Rechtsextremisten wollten durch Dresden marschieren, doch zehntausende Gegendemonstranten blockierten erfolgreich den Zugang zum Treffpunkt der Neonazis. Doch die Proteste blieben nicht nur friedlich.

Von Frank Jansen

Gegner des geplanten Neonazi-Aufmarsches in Dresden blockierten nahezu alle Zugangswege zum Nürnberger Platz, an dem die Rechtsextremen ihren Aufmarsch starten wollten. Etwa 100 von ihnen standen dort um 16:30 Uhr in der Kälte, umzingelt von Polizeikräften und Demonstranten. Etwa eine Stunde später war der Platz leer, doch die Gefahr von weiteren Ausschreitungen nicht gebannt. Etwa 350 Nazis wollten nach dem Scheitern des Aufmarsches nach Leipzig reisen, die dortige Polizei bereitet sich auf einen Einsatz vor.

Gegen 18 Uhr war die Stimmung unter den Gegendemonstranten ausgelassen, fröhlich feierten sie am Bahnhof ihren Triumph über die Neonazis. Die Proteste blieben jedoch nicht friedlich: Polizeikräfte wurden sowohl von Gegendemonstranten als auch von Nazis angegriffen. Am Franz-Weißkopf-Platz wurden am Abend nach Angriffen auf die Polizei mehrere hundert Neonazis eingekesselt.

Holger Apfel, Chef der sächsischen NPD, sagte dem Tagesspiegel am Nachmittag: "Wir kommen nicht durch". Der Protest war bunt, es waren nicht nur Autonome vor Ort, sondern Nazigegner aus allen Bereichen. Christian Ströbele hatte sein Fahrrad dabei. "Die Bevölkerung Dresdens verteidigt ihre Straßen und Plätze", sagte er.

Bei einer der Straßenblockaden war ein kleines Orchester zu sehen, die Demonstranten hatten es geschafft, ein altes Klavier auf die Straße zu stellen, jemand spielte Geige, nur ein paar Meter entfernt standen die Wasserwerfer. Später kamen Wolfgang Thierse und Petra Pau zu der Blockade, sie verhandelten mit der Polizei. Diese forderte, dass die Demonstranten die Straße räumen.

Auf der Fritz-Löffler-Straße, einer der wichtigsten Zufahrtswege zum Nürnberger Platz, rief ein Aktivist die "Freie Republik Fritz-Löffler-Straße" aus. Die Polizei kündigte immer wieder eine Räumung der dortigen Blockaden vor und drohte mit strafrechtlichen Konsequenzen für die Beteiligten. Die "Freie Republik" hielt jedoch bis 17.30 Uhr, danach zerstreuten sich die Demonstranten langsam.

In einer Seitenstraße kam es gegen 15 Uhr zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Linken und Polizei. Dabei wurden Autos demoliert und Feuerwerkskörper auf die Beamten geworfen. In der Nürnberger Straße brannten Müllcontainer, Einkaufswagen wurden als Barrikaden auf die Straße geschoben. Nach Informationen des Tagesspiegel hatte die Polizei gegen 14 Uhr einen Zug von rund 1000 Rechtsextremen gestoppt, die sich auf den Weg zum Nürnberger Platz machen wollten. Vorausgegangen waren Angriffe aus den Reihen der Rechten auf die Beamten.

Bereits am frühen Vormittag war die Polizei am Nürnberger Platz massiv präsent. In der Luft kreisten Hubschrauber. Wasserwerfer und Räumpanzer waren zu sehen. Zahlreiche Gegendemonstranten versuchen trotz der Sperrungen, den Platz über Hinterhöfe, Garagen und Zufahrtsstraßen zu erreichen. In den Nebenstraßen wurden Feuerwerkskörper gezündet. Mehrere hundert Gegendemonstranten blockierten in Gruppen Zufahrtsstraße zum Nürnberger Platz, die Demonstranten hatten sich dort auf den Boden gesetzt. Gegen 14 Uhr hatten es lediglich 70 bis 80 Neonazis geschafft, den Platz zu erreichen.

Bis zu 6.000 Neonazis und bis zu 20.000 Gegendemonstranten wurden am Samstag insgesamt in Dresden erwartet, darunter nach Einschätzung der Polizei rund 3.000 gewaltbereite Linksextreme. Aus der Neonazi-Szene hieß es, allein aus Berlin sind 14 Busse mit über 800 Rechten unterwegs. An der Südseite des Hauptbahnhofs sammelte sich seit etwa 11 Uhr eine etwa 300 Mann starke Gruppe der "autonomen Nationalisten", schwarz gekleidete Rechtsextreme, die als gewaltbereit bekannt sind. Am frühen Nachmittag sind es immer noch 400 bis 500, die nicht vom Fleck kommen.

Auf der Nordwestseite des Bahnhofs hatten sich Linke zusammengefunden. Gegen 11.40 Uhr flogen dort Flaschen in Richtung Polizei. Die Polizei blieb aber ruhig, die Linken zogen sich daraufhin wieder zurück. Bereits am Morgen hatte es nach Angaben der Polizei im Stadtgebiet Auseinandersetzungen zwischen kleineren Gruppen von Linken und Rechten gegeben.

Auf der Marienbrücke und an anderen Stellen im Stadtgebiet gab es bereits am Morgen Demonstrationen, die friedlich verliefen.

„Eine außerordentlich schwierige Situation für die Polizei“

Schon in den vergangenen Tagen war die Stimmung gespannt. Polizei und Verfassungsschützer befürchteten den Auftritt tausender Rechtsextremisten und militanter Linker. „Eine außerordentlich schwierige Situation für die Polizei“ prophezeite der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, am Donnerstag im Interview des Tagesspiegels. Die Gefahr, dass Rechts- und Linksextremisten gewalttätig würden, sei „sehr hoch“. Wie zur Bestätigung kündigten Rechtsextremisten im Internet an, den geplanten Aufmarsch in Dresden gegen alle Widerstände durchsetzen zu wollen. „Rechtswidriges Verhalten gerade der Polizeiführung werden wir in diesem Jahr nicht akzeptieren und klar dagegen Stellung beziehen“, hieß es auf einer Neonazi-Website.

Die Polizei hatte im vergangenen Jahr am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945, etwa 6400 Neonazis am Bahnhof Dresden-Neustadt in Schach gehalten und darauf verzichtet, die Blockaden tausender Nazigegner auf den umliegenden Straßen zu räumen. Erstmals hatte die rechte Szene bei dem für sie wichtigsten Aufmarsch des Jahres, mit regelmäßig auch aus dem Ausland anreisenden „Kameraden“, eine schwere Niederlage hinnehmen müssen. Juristisch konnten sich die Rechtsextremen jedoch ein knappes Jahr später durchsetzen: Im Januar urteilte das Verwaltungsgericht Dresden, die Polizei hätte 2010 die Bildung der Blockaden unterbinden müssen.

Und es war das Verwaltungsgericht, das auch jetzt wieder den Bürgerrechten der Neonazis Priorität einräumte, zur Empörung von Demokraten und Linksextremen. Die Richter gaben am Freitag in einer Eilentscheidung den Beschwerden der Anmelder dreier rechtsextremer Veranstaltungen (zwei Kundgebungen und eine Demonstration) statt. Die Auflagen der städtischen Versammlungsbehörde seien „offensichtlich rechtswidrig“, monierte das Gericht. Es kritisierte auch, die Stadt habe das von ihr mit der Polizei erarbeitete Konzept der Trennung der Veranstaltungen von Rechtsextremen (südlich der Elbe) und Nazigegnern (nördlich des Flusses) nicht eingehalten. Der DGB und die Technische Universität hatten Proteste südlich der Elbe angemeldet und die Stadt hatte zugestimmt. Die TU sagte ihre Versammlung jedoch am Freitag dann ab.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false