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Neue Geschäftsordnung im Bundestag: Künftig härtere Strafen für Pöbler, Störer und Schwänzer
Abgeordnete, die sich nicht an die Hausregeln halten, sollen künftig härter bestraft werden. Ein Überblick über die Änderungen.
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Beleidigungen im Plenum, Störungen in Ausschusssitzungen und unerlaubtes Fehlen: Im Bundestag sollen Abgeordnete bald härter bestraft werden, die sich nicht an die Hausregeln halten. Dazu will das Parlament am Donnerstagabend eine Neufassung seiner rund 45 Jahre alten Geschäftsordnung beschließen. Damit wird auch auf das Erstarken der AfD-Fraktion reagiert, deren Abgeordnete vielfach die Grenzen der bisherigen Regeln ausgetestet hatten.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) begrüßte die Verschärfungen. „Eine zeitgemäße Neuausrichtung war überfällig“, erklärte Klöckner am Donnerstag vor der für den Abend geplanten Verabschiedung. Seit Inkrafttreten der aktuellen Geschäftsordnung vor 45 Jahren „hat sich unser Land, hat sich die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Bundestages spürbar verändert“.
Die Reform sei deshalb „mehr als ein Feinschliff, mehr als ein neuer Anstrich“, betonte der CDU-Politikerin. Sie stärke das Fundament der parlamentarischen Demokratie. „Wir wollen Orientierung geben in unruhiger Zeit, Verfahren neu fassen, Abläufe präzisieren, mehr Transparenz schaffen und die Kraft einer lebendigen, respektvollen Debatte als Ort des Argumentes und nicht der Provokation stärken.“ Eine Übersicht über die Änderungen:
Ordnungsrufe
Abgeordnete erhalten Ordnungsrufe, wenn sie sich etwa bei einer Rede im Ton vergreifen oder während der Rede eines anderen Parlamentariers zum Beispiel beleidigende Zwischenrufe abgeben. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) kritisierte zuletzt vor allem eine Häufung bei AfD und Linkspartei, die sich einen Wettkampf um die meisten Ordnungsrufe böten. Wenn ein Abgeordneter während einer Sitzung drei Ordnungsrufe kassiert, soll er künftig von Klöckner oder ihren Stellvertreterinnen und Stellvertretern für den Rest der Sitzung aus dem Saal geworfen werden können.
Wer innerhalb von drei Sitzungswochen drei Ordnungsrufe bekommen hat, soll zudem ein Ordnungsgeld von 2000 Euro zahlen, im Wiederholungsfall 4000 Euro. Das soll „bei einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ auch ohne vorherigen Ordnungsruf möglich sein, wie es in dem Gesetz heißt. Im begründeten Einzelfall soll das Präsidium ein ausgeschlossenes Mitglied auch von Wahlen und namentlichen Abstimmungen fernhalten können.
Ausschüsse
Auch bei Ausschusssitzungen sollen pöbelnde Abgeordnete bald rausfliegen können. Den jeweiligen Ausschussvorsitzenden soll erlaubt werden, einen Parlamentarier von der Sitzung ausschließen zu dürfen, nachdem er sich eine „gröbliche Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ erlaubt hat. Voraussetzung ist, dass zwei Drittel der anwesenden Ausschussmitglieder dem Rauswurf zustimmen. In den vergangenen Jahren hatten Ausschussmitglieder der AfD vereinzelt für Störungen von Sitzungen gesorgt.
Vizepräsidentenwahl
Auch mit einer Verfahrensänderung bei der Wahl seines Präsidiums reagiert der Bundestag auf das Erstarken der AfD, die inzwischen die zweitstärkste Fraktion stellt. Mit einer Änderung soll nun deutlich gemacht werden, dass das Vizepräsidentenamt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt.
Dieser Grundsatz soll höherrangig sein als das sogenannte Grundmandat, wonach jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellen sollte. Auf diese Regelung hatte sich regelmäßig die AfD berufen. Diese hatte regelmäßig eigene Kandidaten zur Wahl der Vizepräsidenten aufgestellt, war aber immer an der Blockade der anderen Fraktionen gescheitert.
Neu ist auch ein Passus zur Abwahl von Vizepräsidenten. Die Abstimmung über die Abwahl soll einen Antrag von mindestens der Hälfte der Abgeordneten voraussetzen. Bei der Abstimmung selbst müssen mindestens zwei Drittel der Abgeordneten für die Abwahl stimmen.
Namentliche Abstimmungen
Bei Voten im Bundestag können Fraktionen schon jetzt beantragen, dass namentlich abgestimmt wird. Dann läuft die Wahl nicht per Handzeichen ab, sondern indem Stimmkarten in im Bundestagsfoyer aufgestellte Urnen geworfen werden. Das Verfahren wird meistens bei politisch umstrittenen Vorhaben angewendet. Weil dafür nach Möglichkeit alle oder ein Großteil der Abgeordneten im Bundestag sein sollten und das eine gewisse Flexibilität voraussetzt, soll der Antrag auf namentliche Abstimmung künftig spätestens zu Beginn eines Sitzungstages vorliegen. Bisher war das auch kurzfristig möglich.
Fehlzeiten
Wer unentschuldigt fehlt, soll künftig weniger Geld bekommen. Derzeit wird die sogenannte Kostenpauschale der Abgeordneten um 200 Euro gesenkt, wenn sie unentschuldigt an einem Plenartag fehlen, mit Entschuldigung werden nur 100 Euro gestrichen. Bald sollen die Sätze verdoppelt werden. Die Kürzung um 20 Euro bei nachgewiesener Krankheit oder Krankenhausaufenthalt soll erhalten bleiben. Weiterhin nicht gekürzt werden soll diese Pauschale während des Mutterschutzes oder Krankheit eines im Haushalt lebenden Kindes unter 14 Jahren.
Die Kostenpauschale von derzeit steuerfrei 5350 Euro erhalten Abgeordnete für Mehrausgaben ihres Mandats, also etwa eine Zweitwohnung in Berlin, Fahrten im Wahlkreis und die Unterhaltung eines Wahlkreisbüros. Fehlt der Abgeordnete bei Wahlen mit Namensaufruf und namentlichen Abstimmungen, sollen künftig unabhängig von einer Entschuldigung 200 Euro statt bisher 100 Euro von der Pauschale abgezogen werden. Eine Ausnahme gilt bei genehmigter Dienstreise. (AFP)
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