zum Hauptinhalt

Politik: Neue Nähe zu neuem Leben - die Bundesregierung und der Bundestag sind in Berlin aufgeschlagen (Glosse)

Sind alle Kisten rechtzeitig angekommen? Funktionieren die Telefone?

Sind alle Kisten rechtzeitig angekommen? Funktionieren die Telefone? Hat jeder Abgeordnete genug Regale? Sich mit dergleichen aufzuhalten ist verständlich, aber nichts war beim Umzug von Bundesregierung und Bundestag unwichtiger als derlei. Das Parlament ist in Berlin angekommen. Das ist eine Zäsur, deren Auswirkungen noch nicht abgeschätzt werden können. Der Umzug wird das Parlament, aber auch die Stadt verändern. Vielleicht werden einigen Politikern jetzt in Berlin die sozialen Unterschiede krasser erscheinen als zuvor. Ob es die Parlamentarier nur zu Tränen rührt, wenn die ersten Obdachlosen auf den Stufen des Reichstags lagern, oder ob sie schlicht die Polizei bestellen, sie zu verjagen, oder ob sie gar andere Gesetze verabschieden als zuvor, das wird man erst viel später erkennen.

Bundesbauminister Franz Müntefering hat nun die Bilanz des Umzugs verkündet. Wohl die letzte große Pressekonferenz eines Ministers, der in die Parteizentrale wechseln wird. Zwar hat Müntefering nur zu Ende geführt, was seine Vorgänger initiiert haben, aber es ist dem einflussreichen nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten hoch anzurechnen, dass er nicht nachträglich noch Termine verschob, um der Bequemlichkeit der lieben "Bonner" willen.

Vor mehr als acht Jahren wurde der Umzug beschlossen, weil, so hoffte der Bundestag, dies zum Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West beitragen werde. Die ersten Jahre nach dem Beschluss vergingen mit Planspielen, wie der Umzug zu verhindern sei oder wie wenigstens ein so großer Teil der Regierung in Bonn zu halten wäre, dass es am Rhein keinem schlechter gehe. In den Jahren darauf folgte die Planung des perfekten Umzugs, in perfekt renovierte, hinreichend großzügige Räume, begleitet von Fürsorgeprogrammen für die Beamtenschaft, von denen andere, deren Arbeitsplatz gefährdet ist, nur träumen können.

Gleichwohl: Der Aufschlag in Berlin geschah schneller und härter, als von vielen geahnt. Nun richten sich Abgeordnete und Fraktionsmitarbeiter, Minister und Beamte in der Stadt ein. Einiges verursacht dabei mehr Reibungsschmerz als erwartet, insbesondere bei denen, die hofften, gar nichts zu spüren. Übrigens gilt das nicht nur in Berlin, auch einige, die sich freuten, einen Arbeitsplatz in Bonn ertauscht zu haben, beginnen nun darüber nachzudenken, ob sie nicht zuviel dafür aufgegeben haben. Zuviel an Einfluss, an Nähe zur Entscheidung, an Nähe zum Leben.

Vor Begeisterung über den Neubeginn in Berlin darf nicht vergessen werden, dass der Umzug noch lange nicht abgeschlossen ist. Ganze Abteilungen aus den Ministerien werden noch die Koffer packen. Auch dies ist eher eine technische Frage, nicht aber, ob vielleicht noch weitere Teile der Bundesregierung in die Hauptstadt verlagert werden, um deren Arbeitsfähigkeit nicht dem Städte-Ausgleich zu opfern. Der, der das zu organisieren hat, wird nicht Müntefering sein. Aber wer auch immer das tut, es wird aus Berliner Sicht geschehen.

Eva Schweitzer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false