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Erfreut über bessere Zahlen bei den Steuern: Olaf Scholz.

© Wolfgang Kumm/dpa

Neue Steuerschätzung: Olaf Scholz macht sich eine Freude

Der Finanzminister verkündet höhere Steuereinnahmen als bisher geschätzt. Als Kanzler kann er die brauchen. Aber reicht das Plus für die großen Ampel-Pläne?

Olaf Scholz führt derzeit ein Doppelleben. Am Donnerstag verkündete er als geschäftsführender Bundesfinanzminister, womit er als Bundeskanzler in spe demnächst rechnen kann. Der eine Scholz konnte dem anderen eine Freude machen: Die Ergebnisse der Steuerschätzung sind milde freundlich ausgefallen. Bis 2025 kann der Staat mit Steuereinnahmen rechnen, die insgesamt um 179 Milliarden Euro höher liegen als noch im Mai geschätzt worden war, das laufende Jahr eingeschlossen. Scholz sprach von „erfreulichen Zahlen“, man sei „finanzpolitisch auf Kurs“.

Für den mutmaßlich künftigen Kanzler sind natürlich vor allem die Zahlen von Belang, die den Bundeshaushalt betreffen. Demnach kann eine Ampel-Koalition in ihrer Regierungszeit von 2022 bis 2025 mit einem Plus von gut 59 Milliarden Euro gegenüber der Mai-Schätzung kalkulieren. Im Schnitt sind das also knapp 15 Milliarden Euro mehr, bei einem durchschnittlichen Etatvolumen von 350 Milliarden Euro in diesen vier Jahren wären das also gut vier Prozent des Haushaltsvolumens.

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Das dürfte die laufenden Koalitionsverhandlungen an den Punkten, in denen es finanziell hakt, etwas erleichtern. Doch reicht das Schätzplus kaum dafür aus, die geweckten Erwartungen – ein Mehr an Investitionen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr – zu decken.

Mehr Geld trotz geringeren Wachstums

Überraschend vermeldete Scholz auch eine höhere Einnahme im laufenden Jahr, seinem letzten als Finanzminister. Um 38,5 Milliarden Euro sollen demnach die gesamtstaatlichen Einnahmen höher liegen, als vor einem halben Jahr angenommen. Damals hatte die Regierung allerdings mit einem stärkeren Wachstum gerechnet als jetzt – gerade erst nahm sie ihre Prognose für 2021 selbst von 3,5 auf 2,6 Prozent Wachstum zurück. Die Wirtschaftsweisen waren am Mittwoch auch nur einen Tick optimistischer. Geringeres Wachstum bedeutet gemeinhin weniger Steuereinnahmen. Eine Begründung, die das Bundesfinanzministerium am Freitag lieferte: Wegen veränderter volkswirtschaftlicher Berechnungen durch das Statistische Bundesamt in diesem Sommer änderte sich die Schätzbasis – mit dem Ergebnis, dass trotz geringeren Wachstums mehr Einnahmen erwartet werden können.

[Lesen Sie zum Thema bei Tagesspiegel Plus: Teure Visionen, klamme Kassen]

Scholz wies die Annahme zurück, dass ein Teil dieser Mehreinnahmen auf die derzeit steigende Inflation zurückgehe. "Wer das tut, der irrt sich", stellte Scholz fest. Nach seinen Worten ist das Plus vor allem auf höhere Gewinn- und Lohnsteuereinnahmen zurückzuführen, während bei der Umsatzsteuer (in der sich Preissteigerungen direkt auswirken) kaum Bewegung zu sehen sei.

Weniger Kredite möglich

Das Plus in diesem Jahr bedeutet immerhin, dass Scholz etwas weniger Schulden machen muss – die Kreditermächtigungen im laufenden Etat betragen 240 Milliarden Euro. Wie hoch die Kreditlast am Ende des Jahres tatsächlich ausfallenwird, verriet der Finanzminister am Freitag nicht. Aber dass er als Kanzler im kommenden - trotz der nun geschätzten Mehreinnahmen von knapp 14 Milliarden Euro - die bisher von ihm als Finanzminister eingeplanten 100 Milliarden Euro Neuverschuldung im Haushalt beibehalten will, das kündigte Scholz schon einmal an. Und ebenso, dass die "konjunkturstützende Fiskalpolitik" fortgesetzt werde. Die Folgen der Pandemie seien noch nicht abgehakt. Wären sie es, dann könnte er Schwierigkeiten haben, auch im kommenden Jahr noch einmal die Notlagenklausel der Schuldenbremse für die geplanten Kreditermächtigungen zu nutzen. ES werde "keinen Verzicht auf ein Abweichen von der Schuldenregel geben".

Ein Konflikt mit der FDP?

Erst ab 2023 soll die Schuldenbremse wieder voll greifen, das ist Beschlusslage der amtierenden Koalition, eine Ampel-Koalition wird es absehbar auch so halten. Die Ankündigung der nochmaligen Notverschuldung im kommenden Jahr bedeutet, dass Scholz offenbar die Überschussrücklage in Höhe von etwa 48 Milliarden Euro nicht anfassen will. Mit ihr will er bisher die Etatdeckung ab 2023 finanzieren. Dieses Vorgehen hatte die FDP vor der Wahl allerdings deutlich kritisiert.

Das Fazit des Finanzministers zur neuen Steuerschätzung lautete jedenfalls: "Damit kann die nächste Regierung erfolgreich arbeiten." Dem nächsten Kanzler gab Scholz aber auch auf den Weg: "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel." Der Bundesrechnungshof hatte das am Mittwoch noch etwas drastischer formuliert und in einem Bericht festgestellt, die Bundesfinanzen seien in einem kritischen Zustand.

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