zum Hauptinhalt
Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz.

© dpa/Kay Nietfeld

Neuer Ampel-Streit: Habeck und FDP für Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes, SPD hält dagegen

Während Robert Habeck das deutsche Lieferkettengesetz bis zur europäischen Reglung aussetzen will, warnt die SPD vor dieser „Anbiederung“. Unterstützung für den Vorstoß kommt aus der FDP.

Stand:

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schlägt eine Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes vor bis die europäische Regelung greift. Die deutsche Regelung könne pausiert werden, sagte er am Freitag beim Tag des Familienunternehmens in Berlin. Damit greift der Grünen-Politiker eine Forderung von Wirtschaftsverbänden auf, die vor Wettbewerbsnachteilen gewarnt hatten. Für die kommenden Wochen kündigte er weitere Entscheidungen der Ampel-Koalition zur Entlastung der Wirtschaft an.

In der SPD-Bundestagsfraktion stößt die Forderung auf Ablehnung. Die Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwundere doch sehr, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. „Will hier ernsthaft ein Spitzenpolitiker der Grünen die Menschenrechte opfern, um sich bei den Familienunternehmern anzubiedern? Ganz deutlich: Wir reden hier über den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und wir reden über die Ausbeutung von Kindern.“

Faire Lieferketten seien keine Belastung, sondern eine moralische Verpflichtung. „Wiederholt äußert sich der Wirtschaftsminister zu Themen, für die aus gutem Grund andere zuständig sind“, so Rosemann.

Zuspruch erhielt Habeck aus der FDP. „Die Aussetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes wäre ein hilfreicher Baustein zur Stärkung unserer Wirtschaft“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Dafür habe er auch geworben. „Robert Habecks Vorstoß nährt nun eine neue Hoffnung, dass die Aussetzung in der Regierung mehrheitsfähig werden kann.“ Die EU-Lieferkettenrichtlinie müsse zudem „so eng und bürokratiearm wie möglich“ umgesetzt werden. „Unsere Wirtschaft braucht weiterhin klare und verbindliche Signale der Entlastung.“

„Ausbeutung, Zwangsarbeit und Kinderarbeit dürfen kein Geschäftsmodell unserer sozialen Marktwirtschaft sein“

Das europäische Lieferkettengesetz wurde vor Kurzem verabschiedet. Die EU-Staaten haben nun gut zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Ziel des EU-Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.

Die europäischen Regelungen müssen Unternehmen mit 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz einhalten, allerdings erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren - in dieser Zeit gelten zunächst noch höhere Grenzwerte.

In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz. Einer der größten Unterschiede ist die Haftbarkeit. Im deutschen Gesetz ist ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind - das EU-Gesetz lässt das zu. Darüber hinaus gilt das deutsche Lieferkettengesetz für Unternehmen mit 1000 oder mehr Mitarbeitenden. In den kommenden Jahren wären von der deutschen Version damit in der Bundesrepublik mehr Unternehmen betroffen als von der EU-Variante.

Das Wirtschaftsministerium sei in Diskussionen mit dem federführenden Arbeitsministerium, sagte ein Sprecher. Dessen Sprecherin wollte Habecks Vorstoß nicht direkt kommentieren, betonte aber allgemein: „Uns geht es bei fairen Lieferketten darum, dass Ausbeutung, Zwangsarbeit und Kinderarbeit kein Geschäftsmodell unserer sozialen Marktwirtschaft sein dürfen.“ Eine „bürokratiearme“ Umsetzung sei dem Ministerium dabei immer wichtig gewesen. (dpa, Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })