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SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

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Machtoptionen: Neuer rot-grüner Thinktank stellt Ypsilanti-Institut ins Abseits

Die Spitzen von SPD und Grünen wollen Konzepte für eine rot-grüne Machtübernahme 2013 erarbeiten - eine klare Absage an die vor einem Jahr gegründete Denkfabrik der früheren hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti.

Von Matthias Meisner

Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist es das „zweite Baby“. Doch anders als die kleine Ella Maria, die Mitte Januar zur Welt kam und in den kommenden Wochen noch von ihrer Mutter in der Eifel betreut wird, muss es noch geboren werden. Im Frühjahr soll es so weit sein. Dann will Nahles gemeinsam mit den Grünen in Berlin einen neuen Thinktank präsentieren: Gemeinsam sollen Politiker, Wissenschaftler, Gewerkschafter, Vertreter von Umweltverbänden, Wirtschaft, Kirchen und anderen Organisationen ausloten, was vorgedacht werden muss, damit beide Parteien vorbereitet sind für eine Übernahme der Regierung 2013 im Bund. Die Linkspartei ist an den Gesprächen nicht beteiligt.

Koordiniert werden soll das Netzwerk vom früheren Juso-Chef Benjamin Mikfeld. Der Sozialwissenschaftler war bis Ende Januar gut zwei Jahre lang Leiter der Abteilung Politik und Analysen in der SPD-Parteizentrale. Mit Mikfeld stellt das Willy-Brandt-Haus einen seiner besten Leute frei für das Projekt, das nicht nur Nahles, sondern auch Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke am Herzen liegt. Nahles und Lemke haben bereits seit Monaten in vertraulichen Gesprächen potenzielle Mitstreiter für das Projekt angesprochen. Noch aber ist nach Angaben von Mikfeld offen, wer locker oder fest dabei sein wird. Er selbst freut sich nach eigenen Worten, mit dem Projekt rauszukommen „aus dem Hamsterrad“ der Tagespolitik.

Mit dem neuen Strategieinstitut – andere Beteiligte sprechen bescheidener von einem „Koordinierungsbüro“ – wollen die beiden Parteien einen Vorteil wettmachen, den das konservative Lager aus ihrer Sicht hat. Denn dort spielen sich verschiedene Thinktanks „wechselseitig die Bälle zu“, wie Mikfeld erläutert. „Die konservative Seite ist besser aufgestellt. Wir müssen Waffengleichheit schaffen.“ Als nur ein Beispiel für die konservative Überlegenheit wird die von den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie vor zehn Jahren gegründete Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft genannt, die nach eigenen Angaben für die „Bedeutung des Unternehmertums“ wirbt und in diesem Sinne Einfluss auf die Politik nimmt.

Vergleichbar erfolgreich waren die Gewerkschaften zuletzt nicht. Als der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber im April vergangenen Jahres sein Buch „Kurswechsel“ vorstellte, in dem er als Konsequenz aus der Finanzkrise für eine „neue Wohlfahrtsgesellschaft“ warb, fand er selbst im linken Lager wenig Widerhall. Auch vor diesem Hintergrund ist der SPD eine stärkere Einbindung der Gewerkschaften wichtig, um die Zukunft des Sozialstaats auch langfristig zu diskutieren. Die Grünen betonen, der neue Thinktank müsse möglichst breit aufgestellt sein. Ein Bündnis nur mit den Gewerkschaften wäre für sie „eine alte, langweilige und hässliche rote Kiste“, sagt Parteimanagerin Lemke: „Die Balance ist wichtig.“

Mit ihren Plänen signalisieren SPD und Grüne, dass sie von der vor einem Jahr gegründeten rot-rot-grünen Denkfabrik, dem Institut Solidarische Moderne, nicht mehr viel erwarten. Hier wirken an der Spitze unter anderem die frühere hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold und Linken-Bundesvize Katja Kipping. Das Ypsilanti-Institut habe einen „Geburtsfehler“, heißt es jetzt im Willy- Brandt-Haus. Es sei darauf verzichtet worden, die „Spitzen der Parteien“ einzubeziehen und mitzunehmen. Das Institut Solidarische Moderne hat sein Gründungsjahr eben erst als sehr positiv bilanziert, „dafür, dass wir fast alle ehrenamtlich arbeiten und noch andere Standbeine in Wissenschaft und Politik haben“, wie Kipping sagt. 1500 Mitglieder haben sich eingetragen. Wirklich Aufsehen erregte das Institut aber nur bei seiner Gründung vor einem Jahr.

Eine Rolle bei den neuen Thinktank-Plänen spielt auch, dass SPD und Grüne derzeit kaum politischen Spielraum für gemeinsame Aktivitäten mit der Linkspartei sehen. Schon vor einiger Zeit hat Lemke erklärt, sie wolle gegenwärtig nicht von einer „rot-rot-grünen Machtperspektive“ sprechen, schon gar nicht von einem „Reformprojekt“. Aus der SPD-Führung heißt es, zunächst müsse die Entwicklung der Linkspartei abgewartet werden. Bis dahin bleibe die Frage „eingeklammert“. Mikfeld sagt: „Das Projekt kann die Software für mögliche Koalitionen entwickeln. Aber würden wir es mit der Koalitionsfrage belasten, wäre es zum Scheitern verurteilt.“

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