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Demonstranten halten während einer Demonstration gegen Rassismus und rechtsextreme Politik in Frankfurt am Main am 20. Januar 2024 Plakate mit einem weggeworfenen und einem durchgestrichenen Hakenkreuz in der Hand.

© AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Update

„Niemand hier hat Böcke auf AfD + Höcke“: Mindestens 300.000 Menschen demonstrieren gegen Rechtsextremismus

Erneut gehen in Deutschland viele Menschen auf die Straßen, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Aus der Politik kommt breite Unterstützung für die Kundgebungen.

| Update:

Die bundesweiten Proteste gegen Rechtsextremismus weiten sich aus: Insgesamt mindestens 300.000 Menschen sind am Samstag laut Polizei und Veranstaltern in zahlreichen deutschen Städten für die Verteidigung der Demokratie auf die Straßen gegangen. Vielerorts waren die Versammlungsbereiche überlaufen, sodass zahlreiche Menschen nicht mehr teilnehmen konnten.

In Frankfurt nahmen nach Angaben der Polizei etwa 35.000 Menschen teil – die Aktion stand unter dem Motto „Demokratie verteidigen“. Eine ähnlich hohe Zahl wurde aus Hannover gemeldet.

15.000 Menschen beteiligten sich nach Polizeiangaben in Braunschweig an einer Demonstration unter dem Motto „Alle zusammen gegen Faschismus“.

In Kassel sprach die Polizei von 12.000 Teilnehmern - das waren zwölfmal so viele, wie erwartet worden waren. Teilnehmer trugen Plakate bei sich mit Aufschriften wie „Nazis und Antisemiten müssen ausgebürgert werden“ und „Zusammen gegen Extremisten für Demokratie“.

Auch in Gießen kamen mehr zur Demo gegen rechts als ursprünglich erwartet. Die Polizei sprach von mehr als 12.000 Demonstranten, das waren ähnlich viele wie in Kassel. Aufgerufen zu der Kundgebung unter dem Motto „Gießen wehrt sich! Nie wieder ist jetzt!“ hatte das Bündnis „Gießen bleibt bunt.“

20.01.2024, Rheinland-Pfalz, Koblenz: „Deportationen ? Wehret den Anfängen!“ ist über einer Zeichnung des Konzentrationslagers Auschwitz auf einem Schild bei einer Demo gegen Rechts zu sehen.
Klare Botschaft gegen rechts in Koblenz in Rheinland-Pfalz.

© dpa/Thomas Frey

In Dortmund und Wuppertal schätzte die Polizei die Zahl der Teilnehmer auf 30.000 und 10.000. In Wuppertal stand die Demo unter dem Motto „Gemeinsam und solidarisch! Gegen Ausgrenzung, Hass und Hetze!“. In Stuttgart versammelten sich laut Polizei Tausende Menschen unter dem Motto „Alle zusammen gegen die AfD“. Schätzungsweise 20.000 waren es laut Polizei in Karlsruhe.

Tausende Menschen gingen auch in Bayern auf die Straße, darunter laut Polizei mindestens 15.000 in Nürnberg. In Erfurt waren es laut Polizei 9.000 Menschen. In Halle/Saale demonstrierten laut Polizei rund 16.000.

„Keine Böcke auf Höcke“

In Erfurt (Thüringen) kamen nach Angaben von Polizei 9.000 Menschen zusammen. „Klare Kante gegen Nazis“ und „Niemand hier hat Böcke auf AfD + Höcke“, den AfD-Landeschef, hieß es auf Plakaten. 

Ein Plakat auf der Demonstration in Erfurt mit dem Spruch: „Niemand hier hat Böcke auf AfD + Höcke“
Ein Plakat auf der Demonstration in Erfurt.

© AFP/Jens Schlueter

In Freiburg (Baden-Württemberg) und Koblenz (Rheinland-Pfalz) waren es laut Polizei jeweils rund 5000 Teilnehmer.

Die größte Kundgebung in Hessen fand in Frankfurt statt, wo sich nach Polizeiangaben rund 35.000 an einer Demonstration am und um den Römer beteiligten.

© dpa/Andreas Arnold

Bis zum Sonntagabend wurden noch Zehntausende Menschen bei Demonstrationen in ganz Deutschland erwartet.

Bereits am Freitagabend musste wegen des großen Menschenandrangs eine Demonstration gegen rechts und die AfD in Hamburg abgebrochen werden. Einer der Organisatoren verwies auf Sicherheitsbedenken. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter sprachen von 80.000.

Insbesondere Vertreter von Gewerkschaften, Verbänden, Grünen und SPD hatten dazu aufgerufen, sich zu beteiligen.

„Alle demokratischen Kräfte sind gefordert, zusammenzustehen gegen Feinde der Demokratie“, schrieb Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann im Internetdienst Bluesky. 

CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnete die bundesweiten Demonstrationen als ermutigend. „Die „schweigende“ Mehrheit erhebt ihre Stimme und zeigt, dass sie in einem Land leben möchte, das weltoffen und frei ist“, teilte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Samstagmorgen in Berlin mit. „Wir stehen an der Seite derer, die sich für unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat und unsere offene Gesellschaft einsetzen“, sagte Merz.

„Lassen wir gemeinsam keine diskriminierenden Sprüche oder rechtsextreme Parolen zu. Wir zeigen gemeinsam ein Stoppschild gegen jede Form von Extremismus und Rassismus: Gegen jede Form von Hass, gegen Hetze und gegen Geschichtsvergessenheit.“

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Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dankte den Zehntausenden Menschen, die bundesweit gegen rechts demonstrierten. Das zeige, dass es in der Mitte der Gesellschaft „eine breite Allianz“ gebe, sagte er am Samstag in Düsseldorf.

Wüst: AfD ist „brandgefährliche Nazi-Partei“

Wüst forderte erneut eine solche „Allianz der Mitte“ auch in der Politik, die sich parteiübergreifend und über alle staatlichen Ebenen hinweg bilden müsse. „Wir brauchen einen Schulterschluss der Demokraten.“ Die AfD bezeichnete er als „brandgefährliche Nazi-Partei“.

20.01.2024, Brandenburg, Spremberg: Menschen halten Schirme in Regenbogenfarben bei der Demonstration «Bunte Zukunft statt braunes Hinterland». Ein Mädchen hält dabei ein Schild mit der Aufschrift „Hass macht hässlich“.
20.01.2024, Brandenburg, Spremberg: Menschen halten Schirme in Regenbogenfarben bei einer Demonstration. Ein Mädchen hält dabei ein Schild mit der Aufschrift „Hass macht hässlich“.

© dpa/Frank Hammerschmidt

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßte die Kundgebungen. „Ich bin wirklich erfreut, dass die Mitte der Gesellschaft aufsteht“, sagte Schuster der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag).

Im Limburg beteiligten sich Bischof Georg Bätzing und etliche weitere Vertreter des Bistums an der Aktion „Alle zusammen für Demokratie“. „Kälte und Eis und Schnee konnten uns nicht aufhalten. Es ist wichtig hier zu sein und ein Zeichen für Demokratie, für Vielfalt und Toleranz zu setzen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Auch in anderen Städten beteiligten sich Bischöfe an den Demos.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte der „Westdeutschen Zeitung“ (Samstag): „Es wäre wünschenswert, wenn die schweigende Mehrheit unserer Bevölkerung klar gegen Extremismus und Antisemitismus Position beziehen würde. Und erfreulicherweise demonstrieren aktuell viele Menschen dagegen.“

Der Auslöser der Demonstrationen

Auslöser der seit mehreren Tagen andauernden Proteste ist ein Bericht des Medienhauses Correctiv aus der vergangenen Woche über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen in einer Potsdamer Villa vom 25. November. An dem Treffen hatten auch mehrere AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen.

Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte in Potsdam nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fühlt sich durch das Treffen in Potsdam an die Wannseekonferenz der Nationalsozialisten erinnert. „Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannseekonferenz“, sagte sie der Funke Mediengruppe (Samstag).

Sie wolle beides nicht miteinander gleichsetzen. „Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie „Remigration“ versteckt wird, ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren.“

Bei der Wannseekonferenz hatten am 20. Januar 1942 – vor genau 82 Jahren – hohe NS-Funktionäre über die systematische Ermordung von bis zu elf Millionen Juden Europas beraten. Ziel der Besprechung in einer Villa am Berliner Wannsee war es, die Umsetzung des Völkermords zu beschleunigen. Sie gilt als eines der Schlüsseldaten des Holocaust. (dpa/AFP/KNA)

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