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Eine Frau konsumiert einen Tabakstick. Künftig sollen die  Sticks keine „charakteristischen Aromen“ mehr enthalten.

© picture alliance/dpa/Hannes P Albert

Nikotinkonsum bei Jugendlichen: Aus für Aromastoffe in Tabakerhitzern

Tabakerhitzer liegen bei Jugendlichen im Trend. Um den Konsum einzuschränken, bringt das Kabinett eine Gesetzesverschärfung auf den Weg.

Während der Pandemie nahm der Tabakkonsum vor allem bei Jugendlichen merklich zu. Im Trend liegen dabei so genannte Tabakerhitzer. Mit den elektrischen Geräten wird der Tabak nicht wie bei regulären Zigaretten verbrannt, sondern lediglich stark erhitzt. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzesentwurf aus dem Landwirtschaftsministerium, mit dessen Hilfe der Gebrauch der Erhitzer nun wieder reduziert werden soll.

Als Kaufanreiz gelten bei den Tabakerhitzern insbesondere Sticks mit Aromen wie Apfel oder Vanille. Nach dem Entwurf des Agrarministeriums sollen nun „charakteristische Aromen“ verboten werden. Gemeint sind damit Aromastoffe, die den eigentlichen Tabakgeruch überdecken und beim Rauchen deutlich wahrgenommen werden können.

„Rauchen ist tödlich – und das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko“, erklärte Agrarminister Cem Özdemir am Mittwoch. Dennoch steige die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten wieder. „Mich besorgt vor allem, dass Jugendliche wieder stärker damit anfangen“, so der Grünen-Politiker. „Was nachweislich tötet, sollte weder nach Beere noch Melone oder Vanille schmecken“, erklärte Özdemir weiter.

Schon jetzt gilt ein solches Verbot von Aromen für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen. Seit 2020 sind Mentholzigaretten EU-weit verboten. Mit der neuerlichen Gesetzesverschärfung setzt Deutschland eine EU-Richtlinie um, die im vergangenen Jahr in Brüssel verabschiedet worden war. E-Zigaretten werden von dem Verbot nicht erfasst.

Im vergangenen Jahr hatte ein Bericht der EU-Kommission ergeben, dass die Absatzmengen von Tabakerhitzern im Einzelhandel zwischen 2018 und 2020 in mehr als fünf EU-Mitgliedstaaten um über zehn Prozent angestiegen sind. Den Angaben zufolge wurden im Jahr 2020 EU-weit gut 20 Milliarden Sticks mit erhitztem Tabak verkauft. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum wurden in der Gemeinschaft 408 Milliarden Zigaretten verkauft.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis begrüßte die Entscheidung des Kabinetts als „sinnvoll“. Nach seinen Worten geht von den Tabakerhitzern ein Gesundheitsschädigungs- und Suchtpotenzial aus. Ähnlich wie im Fall der Alkopops, die in den Nullerjahren beliebt waren, werde auch hier „mit Aromen versucht, die Hemmschwelle für Jugendliche zu senken“, sagte er dem Tagesspiegel weiter.

Ein Aromen-Verbot ist in Planung

Zustimmung gibt es auch von Renate Künast, der ernährungspolitischen Sprecherin der Grünen. „Längst sind ‚White Choco‘ oder ‚Vanille Apfel‘ nicht mehr nur Eissorten, es sind auch Geschmacksrichtungen für Tabak“, kritisierte sie. Diese Entwicklung sei ein Grund, weshalb wieder mehr Jugendliche zu Konsumentinnen und Konsumenten geworden seien. „Große Tabakkonzerne haben lang genug von einer Regelungslücke profitiert, die aus jungen Heranwachsenden lebenslange Raucher gemacht hat“, so Künast.

Der Bundestag befasst sich demnächst mit dem geplanten Aromen-Verbot, das ab Oktober greifen soll. Die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, will unterdessen noch einen Schritt weiter gehen. Die FDP-Politikerin spricht sich dafür aus, den Raucherinnen und Rauchern in Deutschland „endlich eine weitere, weniger schädliche Alternative zur klassischen Tabakzigarette zur Verfügung“ zu stellen – und zwar in der Form von tabakfreien Nikotinbeuteln.

Mit einer differenzierten Regulierung von Herstellung, Aufmachung und Verkauf der tabakfreien Nikotinbeutel kann ein hoher Verbraucherschutz garantiert werden

Kristine Lütke, drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion

Lütke kritisiert, dass tabakfreie Nikotinbeutel aktuell in Deutschland als Lebensmittel eingestuft werden und „somit de facto nicht für den Verkauf zugelassen“ sind. Der nun vom Kabinett beschlossene Entwurf zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes biete eine gute Gelegenheit, auch die Nikotinbeutel in die Novelle aufzunehmen.

Nikotinkissen von verschiedenen Anbietern zur oralen Aufnahme von Nikotin. Snus ist besonders in Schweden und auf Island beliebt. Der Verkauf von Snus in Deutschland ist verboten.
Nikotinkissen von verschiedenen Anbietern zur oralen Aufnahme von Nikotin. Snus ist besonders in Schweden und auf Island beliebt. Der Verkauf von Snus in Deutschland ist verboten.

© IMAGO/snapshot-photography/T.Seeliger

„Mit einer differenzierten Regulierung von Herstellung, Aufmachung und Verkauf der tabakfreien Nikotinbeutel kann ein hoher Verbraucherschutz garantiert werden“, zeigt sich Lütke überzeugt. Wenn das Landwirtschaftsministerium auch Nikotinbeutel in das Tabakerzeugnisgesetz aufnehmen würde, wäre dies nach ihren Worten „ein echter Mehrwert für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten von Tabak- und Nikotinprodukten“.

Nikotinbeutel bestehen aus Pflanzenfasern, Feucht­halte­mitteln, Wasser, Aromen und Nikotinsalzen. Die Beutel enthalten – anders als der in Skandinavien verbreitete Snus – keinen Tabak. In Deutschland ist der Verkauf verboten, allerdings sind die Beutel über den Onlinehandel verfügbar.

Die klassische Zigarette gilt in der Tabakindustrie indes als Auslaufmodell. Auch wenn EU-weit immer noch weitaus mehr von den herkömmlichen Glimmstängeln verkauft als sämtliche Alternativen zusammengenommen, setzen die Hersteller inzwischen verstärkt auf E-Zigaretten, Tabakerhitzer oder Nikotinbeutel. Beworben werden die Alternativen mit dem Hinweis, dass die Gesundheitsgefährdung geringer sei.

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