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John Magufuli (1959-2021) war der fünfte Präsident der Vereinigten Republik Tansania.

© Khalfan Said/AP/dpa

Nach dem Tod von Präsident Magufuli: Nimmt Tansania nun endlich den Kampf gegen Corona auf?

Magufuli leugnete die Gefahren des Coronavirus. Jetzt ist er womöglich an Covid-19 gestorben – und hinterlässt ein gespaltenes Land.

Schon jetzt geht sie in die Geschichte ein, als erste Frau an der Spitze ihres Landes: Samia Suluhu Hassan wird das neue Staatsoberhaupt der Republik Tansania. Die bisherige Vizepräsidentin folgt auf John Magufuli, der am Mittwoch in einem Krankenhaus in Daressalam gestorben ist – nachdem er wochenlang abgetaucht war.

Offiziell ist Herzversagen die Todesursache, doch schon seit Magufulis letztem öffentlichen Auftritt Ende Februar gab es Gerüchte über eine Covid-Erkrankung. „Magufuli ist an Corona gestorben“, zeigte sich Oppositionsführer Tundu Lissu am Donnerstag sicher. Mit Blick auf Magufulis Tod sprach er von „poetischer Gerechtigkeit“. Im Interview mit dem kenianischen Sender KTN sagte er aus dem belgischen Exil: „Ich feiere nicht, aber ich trauere auch nicht.“ Offiziell sind 14 Tage Staatstrauer verhängt.

Sollte Magufuli tatsächlich an Corona gestorben sein, es wäre keine Überraschung. Der Politiker, der wegen seines kompromisslosen Führungsstils „Bulldozer“ genannt wurde, leugnete die Gefahr des Virus seit Beginn der Pandemie – mit einer Mischung aus Verschwörungstheorien und Geheimnistuerei.

Obwohl es der studierte Chemielehrer eigentlich hätte besser wissen müssen, säte er Zweifel an den Hygienemaßnahmen und Coronatests. In einem tansanischen Labor seien eine Ziege und selbst die Probe einer Papayafrucht positiv auf das Virus getestet worden, behauptete er im Früjahr 2020. Die beste Medizin gegen Covid-19 seien Heilkräuter und vor allem: Gebete. „Corona kann im Leib Christi nicht überleben“, sagte der gläubige Katholik. „Es verbrennt sofort.“

Keine Infektionszahlen aus Tansania

Während andere afrikanische Regierungen im vergangenen Jahr schnell auf den Ausbruch der Pandemie reagierten, weigerte sich Magufuli bis zuletzt, in den Lockdown zu gehen, Kirchen und Moscheen zu schließen und den Tourismus herunterzufahren. Unguja, die Hauptinsel des Sansibar-Archipels, lockte bis zuletzt Touristinnen und Touristen aus aller Welt mit der Aussicht auf einen „coronafreien“ Urlaub an den schneeweißen Sandstränden des Indischen Ozeans.

Im Mai vergangenen Jahres hatte die Regierung die Zählung von Corona-Infektionen im Land gestoppt. Die Veröffentlichung der Infektionszahlen sei „kontraproduktiv“, weil das in der Bevölkerung Panik schüren könne, lautete die Argumentation. Ärztinnen und Ärzten bekamen einen Maulkorb verpasst, sie durften nicht mehr öffentlich über Corona-Fälle in den Kliniken reden.

Christoph Bonsmann von der Hilfsorganisation Medeor, der im Januar zuletzt in Tansania war, sagt: „Seit Beginn des Jahres sind die Intensivstationen in den Krankenhäusern voll belegt, auch die Nachfrage nach Sauerstoffversorgung steigt. Gerade im Februar und März haben die Zahlen stark zugenommen, wie unsere Partner in Tansania berichten.“

Präsident und Stellvertreterin: John Magufuli und Samia Suhulu.

© AFP/Ericky BONIPHACE / AFP

Mit dem Kurs der Leugnung und Vertuschung, so schien es, waren allerdings zuletzt nicht alle in der Regierung einverstanden. „Wir haben keinen Lockdown verhängt und auch jetzt werden wir das nicht tun, weil Gott auf unserer Seite steht“, heiß es zwar Ende Februar noch in einem Statement des Gesundheitsministeriums.

Zugleich forderte die Behörde die Menschen im Land aber zum Einhalten von Vorsichtsmaßnahmen, wie dem Tragen von Masken, auf. Mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie gestand das Ministerium damit zum ersten Mal die Gefahr des Virus ein. Magufulis verweigerte das bis zuletzt.

Selbst als sein Chefsekretär John Kijazi im Februar an einer von offiziellen Stellen nicht nähe beschriebenen „Atemwegserkrankung“ starb, sagte Magufuli auf der Beerdigung: „Vielleicht haben wir Gott irgendwie erzürnt. Wir sollten alle Buße tun.“

Nun ist der Staatspräsident selbst im Alter von 61 Jahren gestorben. Zuvor hatte Tansania schon etliche Prominente mutmaßlich an das Coronavirus verloren, darunter den Oppositionspolitiker Seif Sharif Hamad, den Vizepräsidenten der teilautonomen Inselgruppe Sansibar.

Ein gespaltenes Land

Mit Magufulis Tod besteht nun die Chance, dass Tansania endlich den Kampf gegen Corona vorantreiben kann. Die katholische Kirche im Land wagte bereits Ende Januar, auf Konfrontationskurs zum Präsidenten zu gehen. In einem Brief rief John Nyaisonga, der Erzbischof von Mbeya im Süden des Landes, zum Maskentragen auf. Alleine in den ersten beiden Monaten dieses Jahres sind laut Medienberichten 25 Priester und 60 Nonnen an Covid-19 gestorben.

Die neue Staatspräsidentin „Mama Samia“ Suluhu erbt nicht nur die Gesundheitskrise im Land von ihrem Vorgänger, sondern ein insgesamt gespaltenes Land. Die einen verehren Magufuli, andere hassen ihn. In Sansibar, der größtenteils von Muslimen bewohnten Inselgruppe im Indischen Ozean, kam es nach Wahlbetrugsvorwürfen Ende Oktober zu Gewalt und Toten.

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Fotos, die unter dem Hashtag „ZanzibarLivesMatter“ in den sozialen Medien um die Welt gingen, zeigten von der Polizei misshandelte Oppositionspolitiker, mit blutigen Wunden auf dem Rücken und gebrochenen Armen. Magufuli hatte mit offiziell 84 Prozent die Wahl gewonnen, in Sansibar – wo man die Zentralregierung traditionell kritisch sieht – gab es deutliche Zweifel an dem Ergebnis. USA und EU teilten die Kritik. Dass Suluhu aus Sansisbar stammt und Muslimin ist, könnte möglicherweise helfen, den Konflikt zu befrieden.

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Magufuli war 2015 als Hoffnungsträge angetreten, der Tansania – in Ostafrika eine Art Stabilitätstanker – reformieren wollte. Vor allem der Korruption hatte er den Kampf angesagt. Auch den Ausbau der Infrastruktur bracht er voran. Doch recht schnell entwickelte sich der Präsident zum Autokraten, schränkte die Pressefreiheit ein und ließ Kritiker verfolgen.

Oppositionsführer Lissu fordert aus dem Exil von der neuen Präsidentin, das Land zu „reparieren“ und den Regierungskritikern die Hand zu reichen. „Sie hat keine andere Wahl“, sagt Lissu. Suluhu müsse einen anderen Kurs einschlagen. Ihr Stil sei ein ganz anderer als der Magufulis, zeigt sich Lissu zuversichtlich.

Ob die neue Präsidentin im Kampf gegen Corona tatsächlich einen Kurswechsel einläuten wird, muss sich zeigen. Doch auch wenn sie im Gegensatz zu ihrem Vorgänger die Gefahr von Covid-19 anerkennen sollte, dürfte es nicht leicht sein, die Pandemie einzudämmen. Denn wie vielerorts in Afrika fehlt es in Tansania vor allem an Impfstoff gegen das Coronavirus.

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