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Rechtsextremismus: NPD lieber doch nicht verbieten?

Die Innenminister von Bund und Ländern sind weiter uneins über ein zweites Verbotsverfahren.

Von Frank Jansen

Prominente Verfassungsrechtler warnen vor den Risiken eines erneuten Verbotsverfahrens gegen die NPD. Doch die Innenminister der Länder sind sich weder einig, wie mit den V-Leuten zu verfahren ist, noch ob der NPD schon vor einem Verbotsverfahren staatliche Zuschüsse zu streichen wären.

Im Dezember hatte der frühere Präsident des Gerichts, Hans-Jürgen Papier, kritisiert, die Politik laufe wieder in eine „unsägliche Falle“. Im Tagesspiegel benannte Udo Di Fabio, bis Ende 2011 Richter im Zweiten Senat, nun die Tücken eines weiteren Verfahrens gegen die NPD. Übereinstimmend sagen alle Minister, dass sie die Mahnungen „ernst nehmen“. Aber mit welchen Konsequenzen?

Der Innenminister von Rheinland- Pfalz, Roger Lewentz (SPD), bleibt zuversichtlich, dass ein Verfahren eingeleitet wird, denn es sei „absolut notwendig“. Außerdem habe das Land „seine Hausaufgaben gemacht“ und V-Leute in der NPD abgeschaltet. Der niedersächsische Amtskollege Uwe Schünemann (CDU) hingegen will auf die Spitzel nicht verzichten, empfiehlt vielmehr ein „Qualitätsmanagement für V-Leute bundesweit“ – und sieht ein Verbot nur als „Ultima Ratio“. Das V-Mann-Problem bleibe ein „prozessuales Risiko“, mahnt Di Fabio, der 2003 an der Einstellung des ersten Verbotsverfahrens beteiligt war – gegen seinen Willen. Di Fabio zählte zu den vier Richtern, die weiter verhandeln wollten.

Der Ex-Richter sieht nun ein erhöhtes Risiko „für den Ausgang des Verfahrens“ in unterschiedlichen Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anlegen könnten. An ihn könnte sich die NPD nach der Verkündung eines Verbots wenden. Der Gerichtshof hat mehrmals Parteiverbote als unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention gebrandmarkt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kann sich aber „keine Probleme“ vorstellen. Nach einem Verbot würde der EGMR „angesichts der klaren Belege die Demokratie- und Rechtsstaatsfeindlichkeit der NPD feststellen müssen“, meint er.

Zu den vorsichtigen Innenministern zählt Holger Stahlknecht (CDU) aus Sachsen-Anhalt, auch nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom Dezember, „ein erfolgreiches Verbot der NPD“ anzustreben. Stahlknechts Wort hat Gewicht, weil er bereits im Frühjahr 2011 eine „länderoffene Arbeitsgruppe“ zur Prüfung der Aussichten eines Verbotsverfahrens initiierte, die er jetzt gemeinsam mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) leitet. Er sei „nicht hundertprozentig sicher“, dass ein neuer Anlauf in Karlsruhe unternommen werden sollte, sagt Stahlknecht.

Mit Hinweis auf Di Fabio warnt er, „der größte Fehler wäre, ein Verfahren politisch durchzuprügeln, ohne die Gewissheit zu haben, dass es juristisch machbar ist“. Der ehemalige Staatsanwalt betont, anders als in einer Diktatur „muss in einem Rechtsstaat der politische Wille immer hinter dem zurücktreten, was juristisch geht“. Die von Bayern und Niedersachsen geforderte Streichung staatlicher Zuschüsse für die NPD schon vor einem Verbot habe ihn „nie euphorisch gemacht“, sagt er weiter.

Di Fabio nannte den Vorschlag, der Partei den Geldhahn abzudrehen, einen „womöglich schlechten Präzedenzfall“. Es gelte „aus gutem Grund, dass alle Parteien gleich zu behandeln sind, so dass nur der Verbotsantrag bleibt, wenn man eine Gruppe ausschließen will“. Ähnlich argumentieren mehrere Minister. „Ich teile die Bedenken Di Fabios vollständig“, sagt Brandenburgs Ressortchef Dietmar Woidke (SPD). Sein Kollege in Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), nennt den Ausschluss der NPD von staatlicher Parteienfinanzierung „nicht zielführend“. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sieht hohe Hürden und mahnt, der Vorschlag sei „sehr sorgfältig“ zu prüfen. Selbst der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), der sich früh für ein NPD-Verbot aussprach, hält „ein Vorgehen, das nur die Frage der Parteienfinanzierung ins Auge fasst, für nicht ausreichend“. Denn die rechtsextreme Partei bliebe wählbar, „genau das will ich nicht“.

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