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Eine Studentin zeigt einen türkischen Pass (l) und einen deutschen Reisepass.

© dpa/Daniel Bockwoldt

Exklusiv

NRW nennt weitere Staatsangehörigkeiten bei Straftaten: SPD findet es unsinnig, Union will Modell bundesweit übernehmen

In NRW soll die Kriminalitätsstatistik künftig Mehrfachstaatsangehörigkeiten ausweisen. Eine gute Idee, sagt die Union. Die SPD kritisiert, das Vorgehen fördere Rassismus.

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Die SPD kritisiert den Vorstoß von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) scharf, wonach Mehrfach-Staatsangehörigkeiten von Verdächtigen und Opfern in der Kriminalitätsstatistik des Landes ausgewiesen werden sollen.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Sebastian Fiedler, sagte dem Tagesspiegel: „Ich halte das für ein Wahlkampfmanöver. Herr Reul liefert eine absolut unsinnige Begründung für sein Vorgehen. Diese Erfassung soll etwa wichtig sein, damit die Polizei bei den Ermittlungen Anhaltspunkte für Haftgründe wie Fluchtgefahr erkennen könne. Die statistische Erfassung erfolgt jedoch erst nach Abschluss der Ermittlungen und spielt für Ermittlungen oder – wie er sagt – die Gefahrenabwehr nicht die geringste Rolle.“

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Aus Sicherheitskreisen oder dem Netzwerk Kriminalpolitik nehme er nur Kopfschütteln wahr – bis hin zu purem Entsetzen, sagte Fiedler. Der SPD-Innenexperte fügte hinzu: „Letztlich wird allen Menschen mit Doppelpass bei uns signalisiert, dass sie mit einem zweiten Pass nur als Deutsche zweiter Klasse gelten, für die andere Maßstäbe angelegt sind.“

Manche hätten diesen Pass zum Beispiel, um weiter erbberechtigt zu sein. Das sage nichts über eine Milieuzugehörigkeit aus, so Fiedler. „Die Statistik erfasst ja beispielsweise nach Reuls Logik nun auch einen Arzt, der einen Abrechnungsbetrug begeht und einen zweiten Pass hat.“ Dieses Vorgehen helfe kriminalpolitisch nicht, fördere aber Rassismus. 

Es spielt offensichtlich eine große Rolle in der Kriminalitätsstatistik, welche Nationalität jemand hat. Daher ist es nur richtig, wenn die Polizei hier ehrlich und transparent kommuniziert.

Alexander Throm, Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag

„Wenn für kriminalpolitische Entscheidungen Erkenntnisbedarf besteht, können immer Sonderauswertungen gemacht werden. Das ist ihm unbenommen“, sagte Fiedler. „Grundsätzlich gilt: Wenn Herr Reul solche Vorschläge hat, sollte er sie in der Innenministerkonferenz besprechen und nicht eigenmächtig vorgehen. Das ist üblich, denn wir brauchen ein abgestimmtes, einheitliches Vorgehen zwischen Bund und Ländern.“

Die Union dagegen fordert, das Beispiel NRW bundesweit zu übernehmen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Es spielt offensichtlich eine große Rolle in der Kriminalitätsstatistik, welche Nationalität jemand hat. Daher ist es nur richtig, wenn die Polizei hier ehrlich und transparent kommuniziert.“

Nichts sei schlimmer, als dass sich in der Bevölkerung der Eindruck verfestige, Politik und Behörden würden die Lage beschönigen. „Ich unterstütze die Initiative aus Nordrhein-Westfalen daher uneingeschränkt, die Bundespolizei und andere Bundesländer sollten Mehrfach-Staatsangehörigkeiten auch nennen“, sagte Throm. „Zumal das Problem in Zukunft massiv zunehmen wird, nachdem die Ampel pauschal die doppelte Staatsangehörigkeit eröffnet hat.“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte zuvor in der Rheinischen Post begründet: „Wer die Realität sehen will, muss sie auch messen. Darum müssen wir Mehrfachstaatsangehörigkeiten künftig in der Kriminalstatistik berücksichtigen.“ Zudem könnten mehrere Staatsangehörigkeiten im Hinblick auf Haftgründe Anhaltspunkte für eine eventuelle Fluchtgefahr und für Fluchtmöglichkeiten sein.

NRW Innenminister Reul bei einer LKW-Razzia am Rasthof Frechen.

© IMAGO/Political-Moments

Ein entsprechender Erlass sieht die geänderte Erfassung rückwirkend ab dem 1. Juli vor. An das Bundeskriminalamt wird allerdings gemäß bundeseinheitlicher Richtlinien weiterhin nur eine Staatsangehörigkeit übermittelt.

Eine Auswertung habe ergeben, dass jeder sechste Tatverdächtige mit deutscher Staatsangehörigkeit im Jahr 2024 eine zweite Staatsangehörigkeit besaß. Die drei häufigsten zweiten Staatsangehörigkeiten neben der deutschen waren im vergangenen Jahr in NRW die türkische, die polnische und die russische.

Die Grünen in NRW distanzierten sich von dem Vorgehen. Dieser Erlass „bringt keinerlei Erkenntnisgewinn für die Arbeit der Polizei und zahlt ein aufs Konto der völkisch denkenden AfD“, kritisierte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion Julia Höller in Düsseldorf. Ein Pass sage nichts darüber aus, warum jemand straffällig werde oder ob er Kontakte ins Ausland habe. (mit dpa)

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