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Darf weiter auf Rüstungsgüter aus europäischer Produktion hoffen - wahrscheinlich auch auf solche mit deutschen Bauteilen: Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman.

© dpa

Rüstungs-Exportstopp für Saudi-Arabien: "Nur ans deutsche Publikum gerichtet"

Hilft die Entscheidung der Koalition den geschundenen Menschen im Jemen? Experten bezweifeln das - und verweisen darauf, dass EU-Partner weiter liefern wollen.

Von Hans Monath

Die große Koalition hat einen aktuellen Streitfall um Rüstungsexporte gelöst, aber grundsätzliche Klärungen aufgeschoben und neue Probleme geschaffen. Am Donnerstag beschloss die Bundesregierung eine Verlängerung des Rüstungsexporte-Stopps für Saudi-Arabien. Damit konnte sich die SPD weitgehend durchsetzen. Sie hatte gefordert hatte, das Ende März auslaufende Moratorium bis Oktober gelten zu lassen. Allerdings sind die Regeln für Rüstungs-Gemeinschaftsproduktionen mit EU-Partnern auf Unions- Wunsch hin nicht so streng ausgefallen, dass die Ausfuhr jedes Produkts mit deutschen Bauteilen nach Saudi-Arabien ausgeschlossen werden kann. Politiker von CDU und CSU hatten davor gewarnt, eine deutsche Blockade gefährde die Integration der europäischen Verteidigungs- und Rüstungspolitik. Ungelöst bleibt der Konflikt, ob die strengen deutschen Rüstungsexportrichtlinien im Hinblick auf die gewünschte europäische Zusammenarbeit generell gelockert werden müssen. Die Union ist dafür, die SPD dagegen.

Inhalt des Kompromisses

Im Oktober 2018 hatte die Bundesregierung nach dem Mord an dem saudi-arabischen Dissidenten Jamal Kashoggi einen Export-Stopp für alle Rüstungsgüter beschlossen. Dieser galt auch für Systeme, deren Ausfuhr bereits genehmigt war. Nun wird das Moratorium um ein halbes Jahr verlängert. Anders verhält es sich mit Gemeinschaftsprojekten. Bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen für deutsche Bauteile für diese werden bis Ende 2019 verlängert. Allerdings sollen sich die Firmen verpflichten dass sie bis zu diesem Zeitraum keine „endmontierten Rüstungsgüter“ an Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ausliefern. Beide Länder sind im Jemen-Krieg engagiert.

Bindewirkung für EU-Partner

Die SPD verspricht, sie könne auch Firmen im EU-Ausland beeinflussen. "Wenn Rüstungsfirmen in anderen EU- Ländern sich nicht an diese Vorgabe halten, müssen die bereits erteilten Genehmigungen widerrufen werden", sagt etwa Parteivize Ralf Stegner. Deutsche Bauteile finden sich in europäischen Gemeinschaftsprodukten wie den Kampfflugzeugen Eurofighter und Tornado, deren Endfertigung in Spanien oder Großbritannien steht.
Experten rechnen aber nicht damit, dass sich die Bundesregierung mit ihrem Wunsch bei den europäischen Partnern durchsetzen wird. "Andere EU-Länder werden sich nicht an die deutsche Vorgabe halten", sagt Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations: "Der Appell ist ausschließlich an das deutsche Publikum gerichtet." Auch der Rüstungsexperte Joachim Krause von der Universität Kiel kommt zu dem Schluss, die Wahrscheinlichkeit, dass Rüstungsfirmen in anderen EU-Ländern dem Berliner Vorgaben folgen, sei gering. "Derartige Entscheidungen werden in Großbritannien oder Frankreich auf politischer Ebene getroffen", sagt er. In Paris und London sei das Entsetzten über den Mord an Kashoggi ebenso groß wie in Berlin, doch kämen beide Regierungen zu einer anderen Lagebeurteilung. Wichtigstes Ziel sei es dort, einen Waffenstillstand für den Jemen zu erreichen. Dabei würden auch Waffenlieferungen als probates Mittel angesehen.

Folgen für den Jemen

Begründet wurde die Forderung nach der Verlängerung des Moratoriums von SPD-Chefin Andrea Nahles mit Hinweis auf den Krieg im Jemen, der laut UN die größte gegenwärtige humanitäre Katastrophe darstellt. Doch der Anteil deutscher Produkte an Rüstungsimporten für Saudi-Arabien ist mit unter zwei Prozent gering. Das größte Volumen entfällt auf Küstenschutzboote, die in Wolgast gebaut werden und nun nicht geliefert werden dürfen. Es sei "nicht zu erkennen, dass das Moratorium den Verlauf der bewaffneten Konflikte im Jemen oder die Verhandlungen merklich beeinflussen wird", sagt Sicherheitsexperte Krause.

Kritik der Opposition
Während viele Nichtregierungsorganisationen die Entscheidung begrüßen, sehen Grüne und Linke einen Skandal. "Notwendig wäre ein kompletter Rüstungsexportstopp an Saudi-Arabien", sagt Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Die Hintertür, die die Bundesregierung bei den Gemeinschaftsprojekten eingebaut habe, stehe "sperrangelweit offen". Es sei "absolut inakzeptabel", dass weiter deutsche und europäische Rüstungsgüter im Jemen-Krieg landen könnten. Auch Linken-Fraktionsvize Sevim Dagdelem klagt, die Bundesregierung öffne Waffenlieferungen "Tür und Tor".

Folgen für Europa

Würden Grüne und Linke sich durchsetzen, käme die Rüstungszusammenarbeit in der EU wohl zum Erliegen. Schon jetzt sind die Folgen des Moratoriums erheblich. "Die Partner werden diese Entscheidung negativ bewerten", sagt Gressel voraus. Denn die Bundesregierung nenne keine Alternativen zum Exportgeschäft, während für Paris und London der Erhalt ihrer Rüstungsindustrie Priorität habe. Auch Krause urteilt, das Moratorium verstärke "bei unseren europäischen Partnern die Skepsis gegenüber der sicherheitspolitischen Reife Deutschlands", EU-Rüstungsprojekte mit deutscher Beteiligung würden dadurch "immer weniger wahrscheinlich" und auch das Ziel einer strategischen Handlungsfähigkeit Europas rücke "in weite Ferne".

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