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Ein ukrainischer Soldat patroulliert an einem Checkpoint im Oblast Mykolajiw im Süden der Ukraine.

© IMAGO / ZUMA Wire / Alex Chan

Ukraine-Invasion Tag 186: Nur ein Gegenstoß oder schon eine Offensive?

Scholz will ukrainische Luftabwehr stärken, Schoigu wohl mit Autoritätsproblemen, Ringtausch unter Dach und Fach. Der Überblick am Abend.

Stand:

Die ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes läuft schon seit Wochen, sagen manche Experten. Für andere hat sie heute erst begonnen mit den Meldungen, dass ukrainische Truppen an mehreren Frontabschnitten Angriffe gestartet haben und dabei mindestens einen Durchbruch erzielten (alle Details zur Lage im Süden der Ukraine lesen Sie an dieser Stelle bei uns). 

Tatsächlich war bis zum Montagnachmittag unklar, wie und wo genau in der Region es erfolgreiche Angriffe gab - und ob sie eben nur lokal begrenzte Vorstöße sind oder tatsächlich die lange erwartete, große Offensive. In den sozialen Netzwerken kursierten Meldungen, dass die Ukrainer mit Panzern die feindlichen Linien durchbrochen hätten. 

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Aber auch die Befürworter der These, dass die ukrainische Gegenoffensive schon länger läuft und jetzt nur in eine neue, dynamischere Phase getreten ist, haben gute Argumente. Tatsächlich zerstören die Ukrainer seit Wochen die russischen Kommandostrukturen und Nachschubwege. Dahinter, so erklärten es US-Offizielle im Gespräch mit einem CNN-Reporter, steckt eine ausgeklügelte Taktik, die auf eine Boden- und Luftoffensive hinauslaufe (Quelle hier). 

Gegenstoß oder Gegenoffensive? Wie auch immer man es nennt, was gerade vor sich geht, die nächsten Stunden und Tage könnten einen Wendepunkt im Kampf um die Südukraine markieren.

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Scholz will neues Luftverteidigungssystem für Europa: Mit einem Luftverteidigungssystem will der Bundeskanzler der prekären Sicherheitslage beikommen. Europäische Nachbarn sollen sich daran beteiligen können. Mehr hier. 
  • Russischer Ex-Soldat zerreißt seinen Pass und spült ihn die Toilette herunter: Pawel Filatiew hatte zuvor ein Buch über seinen Kriegsdienst in der Ukraine veröffentlicht. Darin nennt er den Krieg Krieg und kritisiert das russische Regime. Mehr hier. 
  • Aus Sicht britischer Geheimdienste befindet sich Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zunehmend in einer Position der Schwäche. Es sei wahrscheinlich, dass Offiziere und Soldaten den Minister wegen eines ineffektiven und realitätsfernen Führungsstils nicht ernst nähmen, heißt es in einem Bericht, der Montag in London veröffentlicht wurde. Schoigu habe den Großteil seiner Karriere vor der Berufung zum Minister im Bausektor und anderen Bereichen verbracht. Ihm fehle militärische Erfahrung. Zudem hieß es von britischer Seite, dass nicht mehr Schoigu Präsident Putin über den Verlauf der Invasion unterrichte, sondern die direkt für die Operationen in den verschiedenen Landesteilen verantwortlichen Kommandeure. Mehr in unserem Live-Blog. 
  • Tschechien will sich nach Angaben von Ministerpräsident Petr Fiala an Flüsiggas-Terminals an der deutschen Küste beteiligen. Vor allem der geplante Terminal in Lubmin sei für sein Land sehr interessant, sagt er nach einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz in Prag. Da Tschechien keine eigene Küste habe, sei man auf die Kooperation etwa mit den Niederlanden oder Deutschland angewiesen.
  • Deutschland und Tschechien haben beim Prag-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den geplanten Waffen-Ringtausch zugunsten der Ukraine unter Dach und Fach gebracht. Er habe den Ringtausch jetzt "ganz konkret" mit dem tschechischen Regierungschef Petr Fiala verabredet, sagte Scholz am Montag nach einem Treffen mit Fiala in Prag. Tschechien habe T72-Kampfpanzer aus sowjetischer Produktion an die Ukraine abgegeben und erhalte dafür von Deutschland 14 Leopard-Panzer und einen Bergepanzer Büffel.
  • Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wollen die Außenminister der EU-Länder eine erschwerte Einreise für russische Staatsbürger prüfen. Bei einem zweitägigen Treffen ab Dienstag in Prag soll es um die mögliche Aussetzung eines Abkommens aus dem Jahr 2007 gehen, das die Erteilung von Visa für russische Staatsangehörige erleichtert, wie ein EU-Diplomat am Montag der Nachrichtenagentur AFP sagte.
  • Der in Finanznöte geratene Energiekonzern Uniper hat weitere staatliche Kredite im Umfang von vier Milliarden Euro beantragt. Aus der bestehenden Kreditlinie der KfW habe Uniper am Montag zwei Milliarden Euro in Anspruch genommen, damit sei der Umfang von insgesamt neun Milliarden Euro „vollständig ausgeschöpft“, teilte das Unternehmen mit. Uniper habe daher eine Erweiterung des Kreditrahmens in Höhe von vier Milliarden Euro beantragt.
  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet angesichts der bereits recht gut gefüllten Gasspeicher mit wieder sinkenden Preisen. „Wir sind bei den Speicherbefüllungen besser vorangekommen, als das Gesetz es vorschreibt, wir sind heute bei knapp 83 Prozent“, sagte Habeck am Montag beim energiepolitischen Spitzendialog des Norddeutschen Reallabors in Hamburg. Bereits Anfang September werde der eigentlich erst für Anfang Oktober vorgeschriebene Wert von 85 Prozent erreicht. Das führe dazu, „dass wir nicht mehr für jeden Preis einkaufen werden. Dadurch werden sich die Märkte beruhigen und runtergehen“, sagte Habeck.
  • Russland hat den geplanten Ausbau der Nato-Präsenz rund um den Nordpol kritisiert. „Wir nehmen das negativ wahr“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Mit der Ankündigung setze der Westen die Politik der Konfrontation gegen Russland fort. „Russland wird seine Interessen in angemessener Weise wahren.“ Peskow verwies etwa auf Sicherheitsbedürfnisse und „wirtschaftliche Aktivitäten“. Moskau erhebt in der Arktis Anspruch auf 1,2 Millionen Quadratkilometer - insbesondere auf die dort lagernden Rohstoffe wie Öl und Gas.
  • Russland dürfte nach Einschätzung des Chefs der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, in den kommenden Monaten verstärkt Gas abfackeln, da sich die Gasspeicher des Landes immer mehr füllten. Dennoch werde Russland die Energieschlacht nicht gewinnen, sagt Birol auf einer Veranstaltung in Norwegen. Russland habe weltweit unter den Kunden viel Vertrauen verloren. Russland hat im Zuge des Ukraine-Kriegs seine Gasexporte gen Westen reduziert.
  • Russland hat vor dem Besuch von Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im besetzten Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine seine Zusammenarbeit zugesichert. Russland sei an der IAEA-Mission interessiert und an deren Vorbereitung beteiligt gewesen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. „Russland ist offen für eine Zusammenarbeit.“
  • Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben an mehreren Stellen im Osten des Landes Sturmangriffe des russischen Militärs abgewehrt. Dazu zählte das Dorf Wessela Dolyna bei der Stadt Bachmut im Donbass, wie der ukrainische Generalstab am Sonntag in seinem Abendbericht mitteilte. Der russische Angriff steckt seit Wochen ohne große Fortschritte vor Bachmut fest. Die Angaben der beiden Kriegsparteien lassen sich von unabhängiger Seite zunächst kaum überprüfen.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Militärmanöver von Russland und China: Muss der Westen Putins Bündnis mit Xi fürchten?

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2. Vom Biathlon in den Krieg und zurück: „Mit einem Maschinengewehr zu schießen, ist ganz anders“

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