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Politik: Nur ein Versprecher – versprochen

Ärztechef Hoppe distanziert sich von Begriff „Reichseinheitsmedizin“

Von Cordula Eubel

und Rainer Woratschka

Noch knapp zwei Wochen bis zum Ärztetag, und die Funktionäre üben schon mal das Schimpfen. Bei Ärztekammerpräsident Jörg- Dietrich Hoppe ist die Generalprobe allerdings so schwer daneben gegangen, dass er jetzt wieder einen Rückzieher macht. Offenbar sei ihm „ein Versprecher unterlaufen“, lenkte er am Mittwoch ein, nachdem ihm geballte Empörung entgegengeschlagen war. Hoppe hatte am Montag die neuen Behandlungsprogramme für chronisch Kranke kritisiert, weil sie in seinen Augen zu niedrige medizinische Standards festschreiben. In diesem Zusammenhang fiel es dann, das böse Wort von einer „Reichseinheitsmedizin“.

Ulla Schmidt reagierte sofort. Es sei ein „ungeheuerlicher Vorgang“, wenn Hoppe die „mit über 90 Prozent des deutschen Bundestages verabschiedete Gesundheitsreform“ tatsächlich mit dieser „Anlehnung an die NS-Terminologie“ bedacht habe, schrieb die Gesundheitsministerin dem Ärztechef. „Ich kann nicht glauben, dass Sie diesen Begriff, der sich in einer demokratischen Auseinandersetzung von selbst verbietet, wirklich verwendet haben.“ Wenn aber doch, habe er sich „sofort in aller Form zu entschuldigen“.

Der Gescholtene kann es angeblich selbst nicht glauben. Sollte er das Wort tatsächlich gebraucht haben, bedauere er das sehr, schrieb Hoppe der Ministerin in einem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Er habe „durchweg den Begriff ,Rechtsverordnungsmedizin’ verwenden wollen“. Von seiner Äußerung, es drohe die „Kasernierung von Krankheit“, mit der ihn die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert hatte, distanzierte sich Hoppe aber nicht. Schon im Vorjahr, beim außerordentlichen Ärztetag in Berlin, war er durch militaristische Wortwahl aufgefallen. Damals sagte Hoppe, Gesundheitswesen und Ärzteschaft sollten mit haltlosen Vorwürfen „sturmreif geschossen werden“.

Nicht auf die gesamte Ärzteschaft ist Ulla Schmidt indessen schlecht zu sprechen. Das Gros der Kassenärzte sowie die Chefs der Kassenärztlichen Vereinigungen bekamen für ihre „enormen Kraftanstrengungen“ bei der Reformumsetzung nun sogar dickes Lob. Zur Belohnung lässt die Ministerin einen Teil des Schwarzbuchs löschen, mit dem sie zu Jahresbeginn Fälle von Boykott angeprangert hatte.

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