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Oberster Verfassungsrichter beim Bundespresseball: Herr Harbarth tanzt aus der Reihe
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts war Ehrengast beim Promi-Treff von Politik und Medien – nicht zuletzt solchen, über deren Finanzen er entscheidet. Warum ließ Stephan Harbarth sich einladen?

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Der Bundespresseball ist ein jährliches Glanz-Event in der Geschichte bundesdeutscher Regierungssitze. Er fand jetzt zum 70. Mal statt, erstmals und künftig mit einem Motto: „Für die Pressefreiheit“.
Am Tisch der Ehrengäste saß Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Möglicherweise eine Premiere, von Amtsvorgängern sind solche Auftritte unbekannt. Auch das Gericht weiß nichts darüber.
Was sollte er da? Gewiss, das Karlsruher Gericht steht in vielfältigen Beziehungen zur Presse und ihrer Freiheit. Vor allem soll es über sie wachen. Ebenso über die Rundfunkfreiheit, zu der die Beziehungen komplexer sind. Das Gericht entscheidet schließlich über die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Ausgerichtet wird der Ball vom Verein der Parlamentskorrespondenten, der Bundespressekonferenz (BPK). Viele Mitglieder sind für die öffentlich-rechtlichen Medien tätig, der Vorsitzende ist beim ZDF; der Presseball ist auch ein Rundfunkball.
Der Gegenwert von Harbarths Einladung mit Gattin könnte tausend Euro übersteigen. Ballkarten sind teuer. Korruption? Um Gottes Willen. Man repräsentiert nur. Die Teilnahme sei dienstlich, betont das Gericht, anknüpfend an das Motto: Pressefreiheit.
Es hätte also ehrenvolle Gründe gegeben, hätte der Ehrengast, selbst ehemaliger CDU-Politiker, freundlich abgesagt.
Jost Müller-Neuhof
Nun ist es nicht so, dass in Karlsruhe stets gewinnt, wer sich darauf beruft. Das Gericht setzt nur den Rahmen. In eigener Sache kann das auch schiefgehen. So wurde die ortsansässige Justizpressekonferenz – ein Journalistenverein, der der BPK nachgebildet wurde –, über viele Jahre heimlich exklusiv mit Vorab-Infos zu Urteilen versorgt. Eine rechtsstaatlich haarsträubende Praxis, die erst kürzlich ausgesetzt wurde – vorläufig.
Die große Politik, wie sie auf dem Ball vertreten war, hält das Gericht üblicherweise auf Distanz. Schließlich setzt es auch für sie den Rahmen. Ein Projekt namens „Interorganaustausch“ mit der Regierung liegt auf Eis, seit Harbarth und sein Gericht damit in der Corona-Pandemie schlechte Schlagzeilen gemacht haben. Der Vorwurf: Ungute Nähe zur damaligen Kanzlerin.
Es hätte also ehrenvolle Gründe gegeben, hätte der Ehrengast, selbst ehemaliger CDU-Politiker, freundlich abgesagt. Letztlich handelt es sich um ein mit Sponsorengeld bezahltes Eliten-Treffen, dessen neues Motto vor allem die Frage aufwirft, warum es den Veranstaltern nicht schon früher einfiel. Kaum anzunehmen, dass Harbarth sie an diesem Abend gestellt hat.
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