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Eine Englisch-Lehrerin einer Grundschule in Frankfurt (Oder)

© Foto: dpa/Patrick Pleul

OECD stellt Bildungsstudie für 2022 vor: Immer mehr Jugendliche in Deutschland ohne Ausbildung

Die Studie macht vor allem deutlich, dass die Verdienstchancen mit einem höheren Bildungsabschluss ungleich steigen. Doch etwa jeder zehnte junge Mensch in Deutschland hat gar keinen Abschluss.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat am Dienstag ihre Studie „Bildung auf einen Blick 2022“ vorgestellt, für die sie den Bildungsbereich in 45 Ländern untersucht hat. Die Ergebnisse zeigten Licht und Schatten, sagte OECD-Direktor Andreas Schleicher.

Als Schwerpunkt ihrer Studie untersuchte die OECD den Anteil junger Erwachsener mit einem höheren akademischen Abschluss oder höheren beruflichen Bildungsabschluss.

Im OECD-Raum hat sich dieser Anteil unter den 25- bis 34-Jährigen seit dem Jahr 2000 von damals 27 Prozent auf jetzt 48 Prozent erhöht.

Bildung zahlt sich aus, mehr als je zuvor.

Andreas Schleicher, OECD-Direktor

Diesem generellen Anstieg hängt Deutschland deutlich hinterher, hier liegt der Anteil derzeit nur bei 36 Prozent. Dies sei laut Schleicher jedoch nicht unbedingt ein Makel, sondern in dem besonders starken Berufsbildungssystem Deutschlands begründet, welches mehr berufliche Möglichkeiten eröffne als die Systeme vieler anderer OECD-Länder.

Schleicher warb dennoch für die sogenannte Tertiärabschlüsse, zu denen in Deutschland Abschlüsse an (Fach-) Hochschulen, Verwaltungsfachhochschulen, Berufs- und Fachakademien, Fachschulen und Schulen des Gesundheitswesens zählen.

Rund 25 Prozent der Studierenden entschieden sich für einen Studiengang im Bereich Wirtschaft, Verwaltung oder Recht, diese Fächer sind damit die beliebtesten.

Höherer Bildungsabschluss verspricht deutlich mehr Gehalt

„Bildung zahlt sich aus, mehr als je zuvor“, sagte der Bildungsforscher mit Nachdruck. Im Durchschnitt lag die Arbeitslosenquote junger Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss 2021 bei vier Prozent, in Deutschland sogar nur bei zwei Prozent.

Sie gingen außerdem mit erheblichen Einkommensvorteilen einher: In Deutschland verdiene ein 25- bis 63-jähriger Erwachsener mit einem tertiären Bildungsabschluss im Durchschnitt 62 Prozent mehr als Gleichaltrige mit einem niedrigeren Abschluss, in Amerika sei ein Uni-Abschluss sogar mit durchschnittlich 119 Prozent mehr Gehalt verknüpft. „Das Gefälle zwischen Berufsausbildung und Uni ist immer noch sehr hoch.“

Der Anteil derer zwischen 25 und 34 Jahren, die keinen Abschluss vorweisen können, ist im Jahr 2021 auf 14 Prozent gestiegen. Das sind fast 1,5 Millionen junge Menschen, die uns auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.

Kornelia Haugg, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung

Gleichzeitig suchen Betriebe händeringend nach Auszubildenden. Kornelia Haugg, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung sprach besorgt über die Entwicklung auf dem deutschen Ausbildungsmarkt.

„Wir haben immer mehr freie Ausbildungsplätze, aber auch immer mehr Jugendliche, die keine Ausbildung abschließen.“ Die Akademisierung der Gesellschaft habe auch den Rückgang von geringen Qualifizierungen zur Folge.

Der Anteil der jungen Menschen ohne Abschluss ist gestiegen

„Der Anteil derer zwischen 25 und 34 Jahren, die keinen Abschluss vorweisen können, ist im Jahr 2021 auf 14 Prozent gestiegen. Das sind fast 1,5 Millionen junge Menschen, die uns auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.“

Haugg verwies unter anderem auf das Startchancenprogramm, mit dem die Bundesregierung für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen und gezielt Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen unterstützen will.

„Wir müssen sozial Benachteiligte mehr in den Blick nehmen und vor allem die große Rolle, die der soziale Hintergrund immer noch bei der beruflichen Ausbildung spielt.“ Es gehe nun darum, das Thema mehr in die Köpfe zu bringen und Verantwortung zu übernehmen.

Ein Porträtbild von Karin Prien im Gespräch.
Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

© imago images / Uwe Steinert

Karin Prien, Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein (CDU) und derzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz betonte, dass ein hohes Bildungsniveau besonders jetzt, wo die Gesellschaft sich mit zahlreichen Krisen konfrontiert sehe, wichtig sei, um diese zu meistern.

Der Studie zufolge geht fast jeder zehnte junge Mensch in Deutschland weder einer Ausbildung noch einer Arbeit nach. Der Anteil der 18- bis 24-Jährigen, die das betrifft, ist von 8,2 vor Corona auf 9,7 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen.

Laut Prien sei das vor allem auf die Zuwanderung der vergangenen Jahre zurückzuführen. „Damit ist es erklärbar, aber nicht befriedigend.“

Prien warf außerdem das Thema frühkindliche Bildung in den Raum. Quantitativ habe sich in diesem Bereich zwar gerade für Kinder unter drei viel getan, bei Kindern über drei Jahren sei das jedoch mitnichten der Fall. „In diesem Bereich besteht ein sehr großer Handlungsbedarf, vor allem müssen wir hier viel mehr über Qualität als über Quantität sprechen.“

39 Prozent der unter Dreijährigen nehmen an frühkindlicher Bildung teil

Bei den unter Dreijährigen hat sich die Beteiligung in Deutschland an frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung ausgehend von 17 Prozent im Jahr 2005 auf 39 Prozent im Jahr 2020 mehr als verdoppelt und liegt damit deutlich über dem OECD-Mittel von 27 Prozent. Die höchste Beteiligung erreichen Südkorea (63 Prozent), die Niederlande (62 Prozent) und Norwegen (58 Prozent).

Bei den Drei- bis Fünfjährigen hingegen war die Beteiligung von 96 Prozent auf 95 Prozent gesunken. Die höchsten Beteiligungsquoten in dieser Altersspanne haben Frankreich und Israel mit 100 sowie Belgien mit 98 Prozent.

Nur in Luxemburg verdienen Lehrer:innen mehr als in Deutschland

Positiv sticht Deutschland bei der Bezahlung von Lehrkräften hervor: Sie erhalten nach Luxemburg die zweithöchsten Gehälter und damit doppelt viel wie im OECD-Durchschnitt.

Dass dennoch ein großer Lehrermangel herrscht, führte Schleicher auf verkrustete Strukturen zurück, fehlende Karrierechancen und den Mangel an Möglichkeiten zu individueller Betreuung von Schülern.

In Finnland etwa sei die Bezahlung von Lehrkräften deutlich geringer, jedoch kämen auf jede Stelle acht Bewerber. Lehrer wünschten sich mehr Teamarbeit, vermutete Schleicher. Prien nannte ferner eine geringe gesellschaftliche Anerkennung hierzulande.

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