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Politik: „Ohne Schuldenbremse saufen wir alle ab“

Staatsreformer steuern auf enge Defizitgrenzen zu – doch was ist mit Ländern, die tief in der Kreide stehen?

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Berlin - „Eine schwere Aufgabe“, seufzte Peter Struck nach der zweiten Sitzung der Kommission, welche die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern neu ordnen wollen. Der SPD-Fraktionschef im Bundestag ist mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) Vorsitzender der zweiten Föderalismuskommission. Die beiden haben sich einiges vorgenommen: Bis Anfang 2009 soll die Runde von Vertretern des Bundes und der Länder konkrete Ergebnisse vorlegen. Immerhin waren sich Teilnehmer der ersten Arbeitssitzung durchweg einig, dass der Auftakt ermutigend gewesen und zumindest ein Ergebnis absehbar sei: eine Begrenzung der staatlichen Schuldenaufnahme in einer verbindlicheren Form als bislang – die berühmte „Schuldenbremse“– wird kommen.

Nicht zuletzt der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dringt darauf. „Wenn wird das nicht hinbekommen, werden wir früher oder später alle finanziell absaufen“, sagt er. Deutschland liegt derzeit bei einem Staatsdefizit von 68 Prozent der Wirtschaftsleistung (und damit weit über dem Limit des Euro-Stabilitätspakts von 60 Prozent). Laut Milbradt ist aber die öffentliche Verschuldung weit höher – nämlich bei 300 Prozent –, wenn man die künftigen Beamtenpensionen (für die nur teilweise vorgesorgt ist) oder die Verbindlichkeiten der sozialen Sicherungssysteme hinzurechnet.

Ein Modell für eine Schuldenbremse liefert die Schweiz. Dort wurde ein Verfahren eingeführt, nach dem in wirtschaftlich schlechteren Zeiten zwar Schulden gemacht werden dürfen – die aber in Aufschwungphasen abgebaut werden müssen. Praktisch bedeutet dies auch, dass über einen Zeitraum von einigen Jahren hinweg die Ausgaben nicht höher sein können als die Einnahmen. In diese Richtung zielen auch die meisten Föderalismusreformer in der Oettinger-Struck-Kommission.

Freilich gibt es ein Problem, das der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) so formuliert: „Wie kommen die besonders hoch verschuldeten Länder bei einer solchen Schuldenbremse auf null?“ Also neben Bremen vor allem Berlin, das Saarland, die Mehrzahl der Ost-Länder und auch Schleswig-Holstein. Aus eigener Kraft können diese Länder das nicht leisten, die Schulden sind bereits zu hoch. Dazu kommt, dass im Osten die Bevölkerung noch zurückgeht. Böhrnsen will deshalb die Schuldenbremse nur akzeptieren, wenn auch das Thema Entschuldung angegangen wird. Dafür ist er sogar bereit, über eine andere Gestaltung des Finanzausgleichs zu reden – statt des horizontalen Ausgleichs zwischen den Ländern stärker zwischen Bund und finanzschwachen Ländern direkt. Milbradt und andere Ministerpräsidenten sind da skeptisch. Aber auch für den sächsischen Regierungschef gilt: „Wer die Solidarität anderer in Anspruch nimmt, muss auch Kontrollen akzeptieren.“ Sollte die Einführung einer Schuldenbremse klappen, könne man sich auch über die Altschulden unterhalten.

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