Politik: Operation Zuspitzung
Legt die Union im BND-Ausschuss andere Maßstäbe an als zu rot-grünen Zeiten? Ex-Außenminister Fischer hegt einen Verdacht
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Berlin - Den Kritikern der früheren rot-grünen Bundesregierung im BND-Untersuchungsausschuss warf Ex-Außenminister Joschka Fischer kürzlich bei seiner Vernehmung vor, sie operierten heute mit völlig anderen Maßstäben als in der Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Die Kritik trifft vor allem die Unions-Vertreter in dem Gremium, die heute etwa den Umgang mit Murat Kurnaz betont kritisch hinterfragen und keine Gelegenheit auslassen, mögliche Fehler rot-grüner Politiker zu thematisieren. Vor fünf Jahren war die Haltung von CDU und CSU im Antiterrorkampf eine völlig andere. Die Vorschläge der rot-grünen Regierung zur Ausweisung von Ausländern, sofern Tatsachen einen Terrorverdacht stützten, attackierte die Union damals als völlig unzureichend. Der Unions-dominierte Bundesrat verlangte, bereits ein bloßer Terrorverdacht müsse bei Ausländern zur Regelausweisung führen. Es könne nicht so lange gewartet werden, bis Ermittlungen im Einzelfall zweifelsfrei das Fehlverhalten nachweisen würden. Das Risiko, das mit der Prüfung einhergehe, sei für die Gesellschaft nicht tragbar. Im Bundestag erklärte ein Unions-Innenpolitiker, einem deutschen Konsularbeamten sei es nicht zuzumuten, zwischen einem Verdacht und einer Tatsache zu unterscheiden. Die Grünen leisteten 2002 Widerstand gegen schärfere Antiterror-Regeln, billigten diese dann aber mehrheitlich.
Im Bundesrat stimmten damals auch die vier Landesregierungen mit FDP-Beteiligung für die schärfere Variante. Der liberale Bundestags-Innenpolitiker Max Stadler, heute FDP-Obmann im Ausschuss, agiert heute allerdings nicht doppelbödig: Er warnte schon damals vor der Aushöhlung des Rechtsstaats durch das Instrument der Verdachtsausweisung. Konsequent greift Stadler auch heute in bürgerrechtlicher Tradition nicht nur den Umgang mit Murat Kurnaz, sondern die Gesetzeslage an, in deren Geist die Verantwortlichen im Fall des Bremer Türken damals handelten.
Auch die PDS muss sich nicht vorwerfen lassen, sie habe ihre Haltung geändert. Die Partei hatte im fraglichen Zeitraum die außen- und innenpolitischen Entscheidungen der rot-grünen Regierung zur Terrorabwehr stets abgelehnt. Fraglich ist nur, wie gut eine PDS-verantwortete Terrorabwehr funktioniert hätte. Linksfraktions-Obmann Wolfgang Neskovic erklärte kürzlich, er hätte im Jahr 2002 den USA unter anderem auch versprochen, Kurnaz als Spitzel einzusetzen, als ein US-Agent dies zur Bedingung für dessen Freilassung erklärte. Alle Versprechen hätte er nach der Freilassung sofort gebrochen, fügte Neskovic keck hinzu. Mögliche Folgen wie eine außenpolitische Isolation Berlins oder den totalen Stopp sicherheitsrelevanter Informationen aus den USA, so machte der Vertreter der Linksfraktion damit deutlich, hätte er in Kauf genommen.
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