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Benedikt XVI.

© dpa

Papst Benedikt: Ausgeblendet

Mit der Rehabilitierung ultrakonservativer Bischöfe verärgert Benedikt XVI. selbst Katholiken. Was treibt den Papst?

Im Vatikan ist man sich sicher, dass Benedikt XVI. unschuldig ist. Man habe ihn hereingelegt, so heißt es rund um den Petersdom in Rom – nach einer Woche Streit um die Rehabilitierung von vier ultrakonservativen Bischöfen, unter denen auch ein Holocaust-Leugner ist. Der Papst sieht sich wachsender Kritik ausgesetzt, auch aus den eigenen Reihen. Der israelische Religionsminister Jitzhak Cohen empfahl im „Spiegel“ bereits, die diplomatischen Verbindungen zum Vatikan abzubrechen. Und in Österreich erregt nun eine umstrittene Bischofsernennung neuen Unmut innerhalb der katholischen Kirche.

Wie viel Verantwortung hat der Papst an der Rehabilitierung der Bischöfe?

Der Schuldige am ganzen Schlamassel um die erzkonservativen Bischöfe scheint im Vatikan inzwischen gefunden zu sein. Jedenfalls zeigen alle mit dem Finger auf Dario Castrillón Hoyos. Dieser Kardinal ist seit neun Jahren damit beauftragt, die Verhandlungen mit den 1988 exkommunizierten Bischöfen der Piusbruderschaft zu führen und ihnen „die Rückkehr in die volle kirchliche Gemeinschaft zu erleichtern“.

Castrillón Hoyos wird im Juli 80 Jahre alt, muss nach den vatikanischen Spielregeln in den Ruhestand gehen und hat offenbar in Eile versucht, sein Lebenswerk erfolgreich abzuschließen. Dabei hat er möglicherweise übersehen, dass zu den vier fraglichen Bischöfen auch der britische Holocaust-Leugner Richard Williamson gehörte. Der 68-Jährige hatte in einem Interview mit einem schwedischen Fernsehsender bestritten, dass auch nur ein einziger Jude in einer Gaskammer umgekommen sei – in Deutschland ist das eine Straftat. Ausgestrahlt wurde dies ausgerechnet am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, dem Holocaust-Gedenktag – und kurz nach der Rücknahme der Exkommunikation durch den Papst.

Hoyos verteidigt sich. „Bis zuletzt haben wir absolut nichts gewusst von diesem Williamson; man hat nie über ihn gesprochen; ich glaube, dass niemand davon gewusst hat.“ Aber das erscheint nicht nur Kritikern von außen, sondern auch seinen Kollegen im Vatikan zweifelhaft. Hoyos sei ein „Schlamper“, soll Kardinal Giovanni Battista Re, der Chef der Bischofskongregation geschrieen haben. Re selbst, der die Aufhebung des Kirchenbanns zu unterzeichnen hatte, fühlt sich von Hoyos überrumpelt.

Was läuft schief im Vatikan?

Mittlerweile geht sogar Radio Vatikan, der offizielle Sender des Papstes, zur Attacke nach innen über. In seinem Wochenkommentar entschuldigt sich der verantwortliche Redakteur der deutschen Abteilung, Stefan von Kempis, bei den Hörern für seine ungewöhnliche Kritik, aber „es gibt im Vatikan eben auch Personen, die ihre eigenen Projekte verfolgen und dabei in Kauf nehmen, dass das Ansehen der Kirche und das katholisch-jüdische Verhältnis schweren Schaden nehmen“. Es wäre „nicht der erste Hinweis auf Schlamperei mit schwerwiegenden Folgen im Vatikan“, sagt von Kempis. „Aber nicht der Papst ist an all dem schuld“, sondern Menschen im Vatikan, „die unprofessionell oder eigensinnig arbeiten“.

Namen nennt von Kempis nicht. Doch es sieht so aus, als habe nicht nur Castrillón Hoyos „unprofessionell“ gearbeitet. Es gibt oder funktioniert im Vatikan Benedikts XVI. offenbar noch immer keine Stelle, die den Papst hinsichtlich der politischen Auswirkungen seiner Schritte beraten darf – und dies zweieinhalb Jahre nach jener fatalen Regensburger Rede, in der Benedikt mit einem Mohammed-kritischen Zitat die gesamte muslimische Welt gegen den Vatikan aufgebracht hat.

Handelt Benedikt zu unüberlegt?

Es gibt Hinweise, dass Benedikt persönlich im Fall der Traditionalisten die „kirchliche Einheit“ über alles stellt und den Rest ausblendet. Die umstrittene Karfreitagsbitte, worin der Wunsch nach einer „Bekehrung“ der Juden in die Liturgie zurückkehrt, hat der Papst vergangenes Jahr eigenhändig formuliert. Er hatte im Juli 2007 – gegen den Wunsch und zum Teil gegen den Widerstand der Weltbischöfe – den alten tridentinischen Messritus wieder allgemein zugelassen; doch die darin enthaltene Anrede der „treulosen, verblendeten Juden“ konnte er nach dem Holocaust auf keinen Fall wieder aufnehmen.

Benedikt hätte ohne Weiteres das Karfreitagsgebet der neuen Liturgie in den 400 Jahre alten Ritus hinübernehmen können. Aber dieses verzichtet auf die Bekehrungsbitte, und so viel Neuerung wollte Benedikt den Traditionalisten nicht zumuten. Also formulierte er einen Mittelweg, schien damit aber – gerade in jüdischen Augen – auf die unseligen Pfade von einst zurückzukehren. Nun hieß es: „Lasset uns auch beten für die Juden: dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie Jesus Christus als den Heiland aller Menschen anerkennen.“

Mit Benedikts Alleingang beim alten Ritus und mit seiner „Kehrtwende“ bei der Karfreitagsbitte sahen sich zudem die vatikaninternen Freunde der Ultrakonservativen von höchster Stelle gestärkt, das Kräftespiel bekam Schlagseite – und das Unheil von Castrillón Hoyos nahm seinen Lauf.

Wie ist Benedikts Verhältnis zu den Juden?

Die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Williamson – und dann auch noch durch einen deutschen Papst – bestätigt die, die immer schon vermutet haben, dass die katholische Kirche ihren alten Antisemitismus nicht völlig überwunden hat. Die Aussöhnung zwischen Juden und der katholischen Kirche, die Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. vorangetrieben hatte, scheint mit dieser von Benedikt als „Akt der väterlichen Barmherzigkeit“ bezeichneten Entscheidung ernsthaft gefährdet. Auch belastet diese seine für Mai angekündigte Israel-Reise.

Benedikt ist sicherlich kein Antisemit – immer wieder hat er betont, dass der Antisemitismus der Nazis etwas Heidnisches war; und vergangene Woche hat er sich auch von Williamson klar distanziert. Aber Kritiker werfen ihm vor, in solchen Fragen schlicht unsensibel, wenn nicht gar gleichgültig zu sein.

Wird die katholische Kirche unter

Benedikt XVI. konservativer?

Am Wochenende ist bereits neuer Ärger aufgetaucht. In Linz wurde ein Pfarrer zum Weihbischof ernannt, der in der traditionell liberalen österreichischen Stadt als erschreckend konservativ gilt. Als Beispiel wird angeführt, der 54-jährige Gerhard Wagner habe vor der Lektüre von „Harry Potter“ gewarnt; da sei „Satanismus“ im Spiel. Außerdem soll Wagner den Hurrikan „Katrina“, der 2005 New Orleans verwüstete, eine Art göttliche Strafe für die Unmoral der Stadt genannt haben.

Österreich befürchtet nun, der Vatikan könnte – wie im Falle des Wiener Kardinals Hans Hermann Groer oder des Sankt Pöltener Bischofs Kurt Krenn – zu „Strafernennungen“ zurückkehren, um eine möglicherweise allzu liberale Kirche amtlich zu disziplinieren.

Bislang deutet allerdings wenig darauf hin. Keine Bischofsernennung der Ära Benedikts XVI. – also seit April 2005 – trägt bisher den Charakter einer Strafmaßnahme. Gerade deutsche Diözesen sind nicht gerade unglücklich über ihre neuen Bischöfe. Gestiegen sind mit Benedikts anderen konservativen Experimenten allerdings der Alarmpegel und die Reizbarkeit des Publikums. Überreaktionen können da durchaus vorkommen.

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