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Papst Franziskus am Freitag im Präsidentenpalast von Bagdad. Der 84-Jährige ist das erste Oberhaupt der katholischen Kirche, das in das Krisenland reist.

© Andrew Medichini/AP/dpa

Papst Franziskus besucht den Irak: Gegen den Wahn, gegen den Hass

Das Oberhaupt der Katholischen Kirche hat erkannt, worauf es im Dialog mit dem Islam ankommt: Akzeptanz, Respekt, Bescheidenheit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Gläubige sind weltweit in Not. Juden, Christen und Muslime werden verfolgt, vertrieben, ermordet. Synagogen, Kirchen und Moscheen sind das Ziel von Attentaten. Jeder dieser Orte symbolisiert den pathologischen Hass auf religiöse Menschen – Charleston, Quebec, Pittsburgh, Halle, Christchurch.
Im Dialog mit dem Islam hat Papst Franziskus das zentrale Thema seines Pontifikats gefunden. Der Großscheich der Al-Azhar-Universität in Kairo, Ahmed al-Tayyeb, ist seit vielen Jahren sein Freund. Die Al-Azhar-Universität ist das wichtigste Lehrzentrum des sunnitischen Islam.

Vor zwei Jahren unterzeichneten beide eine Erklärung, in der sie geloben, „keine Gefühle des Hasses, der Feindseligkeit und des Extremismus zu wecken“ und niemanden zur Gewalt oder zum Blutvergießen aufzufordern. Spirituelle Kraft erwächst dem Papst aus dem Gedanken einer großen Ökumene.

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Nun ist der 84-Jährige zu einem viertägigen Besuch in den Irak gereist. Es ist der erste Besuch eines Papstes dort. An diesem Samstag will er in der Stadt Nadschaf die höchste Autorität der irakischen Schiiten, Großayatollah Ali Al-Sistani, treffen. In Ur, der Geburtsstadt Abrahams, soll eine interreligiöse Begegnung mit Juden, Christen, Muslimen und Jesiden stattfinden.

In Mossul und Karakosch, wo vor sieben Jahren der „Islamische Staat“ wütete, wird Franziskus die wenigen verbliebenen Christen zum Bleiben ermuntern. Etwa 80 Prozent der ehemals 1,5 Millionen Christen haben den Irak verlassen.

Papst Franziskus hat erkannt, worauf es im interreligiösen Gespräch ankommt: Akzeptanz, Respekt, Bescheidenheit. Er tritt – anders als sein Vorgänger Benedikt – nicht als neunmalkluger Islam-Exeget auf, der den Muslimen erklärt, wie sie ihren Glauben zu verstehen haben. Er maßt sich nicht an, aus islamischen Schriften direkte Handlungsanleitungen herauslesen zu können. Er versteht den Wunsch vieler Muslime, nicht einfach die abendländisch geprägte historisch-kritische Hermeneutik der Heiligen Schrift zu übernehmen.

Alle anderen halten bewegt die Luft an

Vor zwei Jahren hielt Franziskus vor 130.000 Gläubigen eine Messe im Stadion von Abu Dhabi. Es war die größte christliche Messe, die jemals auf der Arabischen Halbinsel, wo der Islam in allen Ländern Staatsreligion ist, gefeiert worden war. Mit seinem Irak-Besuch, überschattet von gravierenden Sicherheitsrisiken und Corona-Restriktionen, setzt er nun einen zweiten starken Akzent. Fast nebenbei demonstriert er damit auch, dass die innerislamische Rivalität zwischen Sunniten und Schiiten überwunden werden kann. Wer religiös unmusikalisch ist, sieht bei einer solchen Reise nur freundliche Gesten und hört nur warme Worte. Alle anderen halten bewegt die Luft an.

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