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Voll in seinem Element. CSU-Chef Markus Söder beim politischen Aschermittwoch.

© Imago/Sammy Minkoff

Politischer Aschermittwoch: Kann das weg?

Am Mittwoch ist es wieder einmal so weit: Die Chefs der deutschen Parteien halten dann traditionell markige Reden, vor allem ein Politiker aus Bayern. Drei Meinungen, was von dem Ritual noch zu halten ist.

Es gibt zahlreiche politischen Themen dieser Tage, über die ernsthaft debattiert werden sollte. Aber sind Angriffe auf den politischen Gegner in Bierkeller-Atmosphäre noch angemessen? In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, was davon zu halten ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Söder ist nicht Strauß

Waren das Zeiten, als Politiker - alte weiße Männer - in dampfenden Bierzelten schwitzend dem Gegner – Männern – in den anderen Parteien einheizten. Ja, es kommt der politische Aschermittwoch und mit ihm die Erinnerung. Wenn Franz Josef Strauß in Bayern Maß nahm, dann war aber los: ein Prosit der Ungemütlichkeit. Politik ist doch kein Gesangverein Harmonie, gell? Ach, Zeiten waren das– vorbei. Strauß lebt schon lange nicht mehr, und an ihn reicht bis heute im Beleidigen keiner heran.

Ein Sozi sowieso nicht, schon gar in Bayern nicht, weil dieses Land ja die CSU erfunden hat. Oder war es der weiß-blaue Himmel? Gleichviel. Markus Söder ist aber auch kein Strauß. Wär er zwar gern, nur ist er erst einmal Franke und auch das Schlafen in Franz-Josef-Strauß-Bettwäsche hat ihm noch keinen anarchischen Witz im Schlaf eingegeben. Wo aber das alles fehlt - da fehlt ein politischer Aschermittwoch nicht. An dem Tag stattdessen bei großen Worten fasten, das wär doch mal was Neues. Zeiten ändern sich.


Demokratisches Fest der Wortgefechte

Anfangs waren die Reden am Aschermittwoch so etwas wie ein Newsfeed. Im ländlichen Bayern zumal wollte die Obrigkeit einer Bevölkerung, die wenig vom Weltgeschehen wusste, Aktuelles erläutern. Daraus ist der Politische Aschermittwoch geworden, im gelingenden Fall ein demokratisches Fest der Wortgefechte, oft auch eher Gockelei mit geschwollenen Kämmen. Also eine ambivalente Geschichte – und für viele unterhaltsam. Das Ganze fing an, als der Bauernbund Vilshofen im März 1919 im Gasthof zum Goldenen Ochsen zur „freien Aussprache“ mit Politikern einlud.

Dass aus dem Tag ein im Kern so urbayerisches Event wurde, wundert nicht. Von Karl Valentin über Gerhard Polt bis Django Asül oder Martina Schwarzmann, bringt Bayern verlässlich die beste Wortkunst für die Bühne hervor. Titan des Aschermittwochs war freilich Franz Josef Strauß. Nie wieder wird da jemand mithalten können, schon weil fast jeder Satz des CSU-Fürsten nach heutigen Maßstäben politisch inkorrekt war. Alles andere – Gerüchte, Affären, Skandale – gibt es noch, und damit Stoff für das politische Ritual. Na gut.


Zu viele schlechte Reiter

Der Politische Aschermittwoch ist ein totes Pferd. Zu viele schlechte Reiter haben sich auf seinen Sattel geschwungen. Mal ehrlich: Wer kann sich an eine Aschermittwochsrede aus den vergangenen Jahren erinnern, die noch so richtig für Rumms gesorgt hat? So wie einst, als FJS den bayerischen Rechtspopulismus zum Donnern brachte, dass es durch ganz Deutschland hallte. Der Abstieg begann schon, als die CSU 1975 meinte, das Ereignis in die ausgedehnte Nibelungenhalle nach Passau verlegen zu müssen, weil ihr der Wolferstetter Keller in Vilshofen, der legendäre Ursprungsort, zu klein erschien. Das nahm der Sache die Reibungshitze des Bierlokals.

Dass mittlerweile alle Parteien ihren Aschermittwoch veranstalten, dutzendfach regional gestreut, ist ein Endzeitphänomen. Zum Niedergang gehörte das Mineralwasser im Krug von Edmund Stoiber. Oder die Entscheidung der Volldampfrednerin Angela Merkel, sich auch ins Aschermittwochsgeschehen einzumischen (in Demmin, wo immer das ist). Weder Markus Söder noch Olaf Scholz noch Annalena Baerbock werden das Tier zum Leben erwecken. Also begrabt die Mähre.

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