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Julian Reichelt spricht auf einer Veranstaltung.

© Imago/epd/Rico Thumser

Portal von Reichelt und Gotthardt: Was ist „Nius“ – und was wird den Machern vorgeworfen?

Bundestagspräsidentin Klöckner hat ein Medium in den Fokus gerückt, das vom früheren „Bild“-Chefredakteur geleitet und von einem der reichsten Deutschen finanziert wird. Das steckt dahinter.

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Plötzlich machte das Nachrichtenportal wieder Schlagzeilen. Ausgelöst hatte die neue Aufmerksamkeit für das umstrittene Medium „Nius“ ausgerechnet Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Auf dem Sommerfest der CDU Koblenz zog sie einen Vergleich zwischen „Nius“ und der linken Zeitung „taz“.

In den Methoden „sind sich beide nicht so sehr unähnlich, in ihren Vorgehensweisen“, sagte Klöckner. Das könne man kritisieren, aber in der Demokratie habe man das auszuhalten. Diese Aussage der CDU-Politikerin löste heftige Empörung bis hin zu Rücktrittsforderungen aus.

Sogar aus Kreisen ihrer Partei verlautete gegenüber dem Tagesspiegel: „Nius“ habe mit Journalismus nichts zu tun. „Das ist eher die deutsche Antwort auf ‚Breitbart‘“, hieß es. „Breitbart News Network“ ist eine extrem rechte Website in den USA, die zeitweise von Steve Bannon geführt wurde, bevor dieser 2016/17 zwischenzeitlich Berater Donald Trumps war, um anschließend zu „Breitbart“ zurückzukehren. Was hat es mit „Nius“ auf sich?

Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir ja rechts von der Mitte sein.

Frank Gotthardt, Multimillionär und „Nius“-Geldgeber Anfang 2024

Das Portal agiert mit verschiedenen Formaten und verbreitet seine Inhalte als Online-Texte, per Videos und als Web-Radio. Live ging es im Juli 2023. Hinter „Nius“, das sich selbst „NiUS“ schreibt und als „Stimme der Mehrheit“ bezeichnet, steckt der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt.

Immer wieder Vorwürfe gegen Reichelt und „Nius“

Der 45-Jährige ist seit 2024 geschäftsführender Direktor der Betreiberfirma Vius und Chefredakteur von „Nius“. Knapp vier Jahre war Reichelt Chefredakteur der „Bild“. Ausgelöst durch Vorwürfe, er habe seine Machtstellung missbraucht, wurde er 2021 entlassen.

„Nius“ steht immer wieder wegen Verstößen gegen die journalistische Sorgfaltspflicht in der Kritik, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg prüfte Beschwerden gegen „Nius“. Gegen eine erste Beanstandung klagt das Medium, wie das Portal „t-online“ berichtet.

„Nius“ gilt vielen auch als Sprachrohr von Maaßen

Medienwissenschaftler und Journalistengewerkschaften ordnen „Nius“ als rechtspopulitisch und zumindest rechtskonservativ ein. „Nius“ arbeite immer wieder mit Übertreibungen und Erfindungen, verdrehe Tatsachen und reiße Zitate aus dem Zusammenhang, so die Kritik. Gezielt würden Kampagnen gegen Minderheiten gefahren und Zweifel an der Demokratie und ihren Institutionen gesät. Die Inhalte von „Nius“ werden in den Sozialen Medien tausendfach geteilt. Inzwischen war die Berichterstattung Gegenstand von einigen Prozessen.

Das Portal gilt vielen auch als Sprachrohr für Kreise um den früheren Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen. Dieser war aus der CDU ausgetreten, weil ihm die Union nicht mehr konservativ genug erschien. Er gründete die Partei „Werteunion“.

Forscher sehen Grenzüberschreitung und Desinformation

Der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden vertrat bereits im Februar 2024 die Auffassung, dass „Nius“ eine Radikalisierung durchlaufen habe. Das Portal überschreite bewusst Grenzen und nutze ebenso bewusst Methoden der Desinformation, sagte Linden im Deutschlandfunk.

Falschdarstellungen seien bei „Nius“ keine bloßen handwerklichen Fehler, erklärte Linden. Die Macher seien Medienprofis, die aber einer Agenda folgten. „Es handelt sich um ein zentrales mediales Sprachrohr der Kreise um Hans-Georg Maaßen. Nius ist Werteunion-TV“, so Linden.

Auch der Kommunikationswissenschaftler Marcus S. Kleiner warnte vor Medien wie „Nius“. „Wir haben das öffentlich-rechtliche Medien-Universum und die sogenannten alternativen Medien – und an beiden Polen finden intensive Debatten statt“, sagte er der Agentur KNA. Letztere setzten häufig auf rechtspopulistische Inhalte und normalisierten diese.

Von Antonio Rüdiger bis Brosius-Gersdorf

Sie würden immer wieder auch Verschwörungsmythen verbreiten. Dies sei eine Herausforderung für die Demokratie – „gerade weil die alternativen Medien nicht müde werden, hervorzuheben, dass sie die eigentlichen Demokraten und Demokratiestärker seien, so etwa der Sender ,Nius’.“

„Nius“ rückte in seiner noch jungen Geschichte bereits einige Male in den Fokus. Zuletzt war das Portal in die Kritik geraten, weil es an der rufschädigenden Kampagne gegen die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, beteiligt gewesen war. Der Streit wuchs sich sogar zur Belastungsprobe für die schwarz-rote Bundesregierung aus.

Einer der bekanntesten „Fälle“ von „Nuis“ war die Vorwürfe gegen die frühere stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“, Alexandra Föderl-Schmid. Das Portal hatte Medienberichten zufolge ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Plagiate in der Doktorarbeit der Journalistin entdeckt haben wollte.

Nach der Publikation wurde Föderl-Schmid in sozialen Netzwerken massiv persönlich beleidigt. Sie galt dann als vermisst, wurde aber 24 Stunden später lebend gefunden. Die Anschuldigungen wurden später als unbegründet zurückgewiesen.

Frank Gotthardt, Firmengründer von CompuGroup Medical und Finanzier von „Nius“, spricht beim Sommerfest der CDU Koblenz.

© picture alliance/dpa/Sascha Ditscher

Auch im Streit um den erhobenen Zeigefinger von Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger mischte „Nius“-Chefredakteur Reichelt mit. Er hatte die Zeigefinger-Geste Rüdigers auf der Plattform X als Beleg einer islamistischen Gesinnung gedeutet. Rüdiger zeigte Reichelt wegen Beleidigung und Volksverhetzung an. Der DFB erstattete ebenfalls Anzeige, meldete den Reichelt-Tweet gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft als „Hate Speech“. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte Mitte August 2024 das strafrechtliche Ermittlungsverfahren aber ein.

Unternehmer Gotthard finanziert „Nius“

Im März teilte die Berliner Staatsanwaltschaft mit, dass gegen „Nius“ im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen der mutmaßlichen Beleidigung des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) als „Schwachkopf“ ermittelt werde. Das Portal hatte einen Durchsuchungsbeschluss publiziert.

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Ohne einen Mann wäre „Nius“ in seiner heutigen Form allerdings kaum vorstellbar: Frank Gotthardt. Der 74-Jährige, seit langem gut bekannt mit Klöckner und Gastgeber des CDU-Sommerfests in Koblenz, ist Gründer des Unternehmens CompuGroup Medical mit Sitz in der Stadt am Rhein – und zugleich Geldgeber von „Nius“.

„Staatsbürgerliche Verantwortung“ nennt Gotthard als Motiv für „Nius“

Gotthardt, der mit seinem Unternehmen zum Multimillionär und nach anderen Angaben sogar zum Milliardär wurde, sagte dem Mediendienst „kress“ zufolge im Februar 2024 in einem Podcast, „staatsbürgerliche Verantwortung“ sei das Motiv für die Gründung von „Nius“ gewesen. Er sei der Ansicht, dass die „links zu verortende“ Medienlandschaft „eine Ergänzung im konservativen Bereich“ bräuchte.  Die Übermacht dieser Medien sei sehr groß und „da muss man einfach was tun“.

Er sehe das Portal „nicht in der Mitte“, so Gotthardt weiter. „Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir ja rechts von der Mitte sein. Also in einem Gefüge von vor 30 Jahren wären wir in der Mitte gewesen. Heute sind wir rechts von der Mitte, weil die Mitte nach links gedriftet ist“, sagte er demnach.

Gereizt habe ihn aber auch eine unternehmerische Komponente, weil er ein Vakuum sieht, dass es ihm ermögliche, in der ansonsten sehr umkämpften Medienwelt dann doch noch mal als Newcomer einsteigen zu können, sagte Gotthard.

Nun gibt es Berichte, die Kontakte zwischen Klöckner und Gotthardt seien enger als bisher bekannt. Unterlagen und vertrauliche E-Mails, über die „Table.Briefings“ berichtet, sollen zeigen, dass Klöckner im Jahr 2023, damals in ihrer Funktion als CDU-Schatzmeisterin, die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens unterstützt habe. Geplant war demnach die „CDU App GmbH“, die die Digitalstrategie der Partei voranbringen sollte. Finalisiert wurde das Projekt nicht.

Gotthardt, der die unter anderem von der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke scharf kritisierte Klöckner in Koblenz per Handschlag begrüßt hatte, wollte sich zu der Rede der Parlamentspräsidentin und zu den anschließenden Reaktionen nicht äußern. Er ließ über seinen Anwalt nur mitteilen, dass er die Bedeutung von Meinungs- und Pressefreiheit hochhalte.

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