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Russland: Prozess gegen Geiselnehmer von Beslan begonnen

Acht Monate nach dem blutigen Geiseldrama in einer Schule der südrussischen Stadt Beslan hat der Prozess gegen den einzigen gefangenen Geiselnehmer begonnen. Damals waren mehr als 330 Menschen getötet worden, über die Hälfte davon Kinder.

Moskau (17.05.2005, 15:46 Uhr) - Der 24-jährige Tschetschene Nurpaschi Kulajew muss sich vor dem Gericht der Stadt Wladikawkas wegen Mordes, Terrorismus und Geiselnahme verantworten.

Der angeklagte Kulajew hat seine Beteiligung an der Geiselnahme zwar zugegeben, bestreitet jedoch, jemanden getötet zu haben. «Ich habe niemanden umgebracht. Obwohl ich eine Maschinenpistole hatte, habe ich nur in die Luft geschossen», beteuerte Kulajew in früheren Verhören. Er sei für die Erstürmung eines Gebäudes angeworben worden und habe nicht gewusst, dass Kinder als Geiseln genommen werden sollten. «Hätte ich gewusst, dass es so kommt, hätte ich lieber meine eigenen Kinder getötet», sagte der Tschetschene nach Medienberichten.

Zahlreiche Verhöre Kulajews sowie mutmaßlicher Helfershelfer hätten ergeben, dass die Geiselnahme von Anfang an als Selbstmordaktion geplant gewesen sei, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Rande des Prozesses der Agentur Interfax. Die Führung der betroffenen Teilrepublik Nordossetien war von Angehörigen der Opfer dafür kritisiert worden, dass mit den Terroristen nicht über eine Freilassung der Geiseln verhandelt worden war.

Vor dem weiträumig abgesperrten Gerichtsgebäude forderten Angehörige der Opfer eine endgültige Aufklärung der Umstände, die zur blutigen Eskalation des Geiseldramas führten. «Wir wollen die Wahrheit wissen», stand auf einem Plakat. Bis heute ist nicht endgültig geklärt, wie die Terroristen ungehindert weit mehr als 1000 Menschen in ihre Gewalt bringen konnten und weshalb die Geiselnahme am dritten Tag in einem Blutbad endete. Ein ursprünglich für März angekündigter Abschlussbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission zu Beslan steht bis heute aus.

Zu Verhandlungsbeginn führte der stellvertretende russische Generalstaatsanwalt Nikolaj Schepel aus, dass die Geiselnahme von dem früheren tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow sowie dem Topterroristen Schamil Bassajew organisiert worden sei. Maschadow kam Anfang März bei einem Gefecht mit russischen Truppen in Tschetschenien ums Leben. Der angeklagte Kulajew habe die Aufgabe gehabt, das Schulgelände mit anderen Terroristen abzuriegeln und möglichst viele Geiseln zu nehmen.

Nach bisherigen Angaben der russischen Ermittler wurden bei der Erstürmung der Schule durch Einsatzkräfte 31 von insgesamt 32 Geiselnehmern getötet. Russische Politiker gehen aber davon aus, dass einer unbekannten Zahl von Terroristen die Flucht aus Beslan gelang. Dafür gebe es indirekte Beweise, hatte der Leiter der Untersuchungskommission zum Geiseldrama, Alexander Torschin, am Montag in Moskau gesagt. (tso)

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