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Politik: Prozess wegen Militärputsch in der Türkei

Istanbul/Ankara - In der türkischen Hauptstadt Ankara hat am Mittwoch der Prozess gegen die letzten noch lebenden Anführer des Militärputsches von 1980 begonnen. Das Verfahren gilt als historische Abrechnung mit der Ära der militärischen Vormachtstellung in der Türkei in den vergangenen Jahrzehnten.

Istanbul/Ankara - In der türkischen Hauptstadt Ankara hat am Mittwoch der Prozess gegen die letzten noch lebenden Anführer des Militärputsches von 1980 begonnen. Das Verfahren gilt als historische Abrechnung mit der Ära der militärischen Vormachtstellung in der Türkei in den vergangenen Jahrzehnten. Die Angeklagten, der heute 94-jährige Exgeneral und ehemalige Staatschef Kenan Evren sowie der frühere Luftwaffenkommandeur Tahsin Sahinkaya, 87, befanden sich in Militärkrankenhäusern in Behandlung und erschienen deshalb zum Auftakt des Verfahrens nicht. Dennoch war der Gerichtssaal wegen der vielen als Nebenkläger auftretenden Putschopfer überfüllt. Gleich zu Beginn des Verfahrens beantragte die Verteidigung, das Gericht solle die Rolle der USA und der Nato-Geheimorganisation Gladio bei dem Putsch untersuchen.

Vor dem Gericht demonstrierten Angehörige von Opfern, Menschenrechtler und Anhänger linker Gruppen. Sie forderten, die Militärs müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Selbst bei einer Verurteilung rechnet angesichts des Alters der Angeklagten niemand damit, dass Evren und Sahinkaya im Gefängnis landen. Einer der Nebenkläger im Gerichtssaal, das Opfer Halis Özdemir, sagte dem Tagesspiegel, nur hoher gesellschaftlicher Druck werde Evren und Sahinkaya dazu bewegen, persönlich zu erscheinen.

Evren, damals Generalstabschef, begründete den Putsch mit bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Gruppen. Die Militärs ließen mehr als 600 000 Menschen verhaften und viele tausend foltern, 50 Menschen wurden hingerichtet, mehrere hundert starben an den Folgen von Misshandlungen oder bei der Flucht aus den Gefängnissen. Susanne Güsten

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