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Der CDU-Politiker Axel Fischer saß viele Jahre im Bundestag.

© imago images/Metodi Popow

Prozessbeginn in Aserbaidschan-Affäre: Früherer CDU-Politiker steht wegen Korruption vor Gericht

Der Ex-Abgeordnete Axel Fischer soll „nach Anweisung“ Aserbaidschans gehandelt und dafür Geld bekommen haben. Worum es in dem Prozess geht und welche Bedeutung er hat.

Stand:

Einen solchen Prozess hat es in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht gegeben: Ab diesem Donnerstag muss sich ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter wegen des Verdachts der Korruption vor dem Oberlandesgericht München verantworten.

Der frühere CDU-Politiker Axel Fischer soll Geld aus Aserbaidschan angenommen haben und dafür Anweisungen des autoritär regierten Landes befolgt haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Verfahren:


Wer sind die Angeklagten?

Dem langjährigen Abgeordneten Fischer wirft die Generalstaatsanwaltschaft München Bestechlichkeit vor. Angeklagt ist zudem der ehemalige CSU-Abgeordnete Eduard Lintner. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag arbeitete er als Lobbyist für Aserbaidschan.

In dieser Funktion soll Lintner auch die mittlerweile verstorbene CDU-Politikerin Karin Strenz bezahlt haben. Ihm wird deshalb Bestechung vorgeworfen.

Außerdem stehen zwei Personen vor Gericht, die mit Lintner zusammenarbeiteten und denen deshalb Beihilfe zur Bestechung von Mandatsträgern vorgeworfen wird.


Welchen Hintergrund haben die Vorwürfe?

Die Vorgänge, die nun ein deutsches Gericht beschäftigen, spielten sich im Europarat in Straßburg ab. Alle 46 Mitgliedstaaten dieser internationalen Organisation, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzt, entsenden Abgeordnete in die Parlamentarische Versammlung.

In der Parlamentarischen Versammlung des Europarates kommen Abgeordnete aus den Mitgliedstaaten vier Mal im Jahr zusammen.

© dpa/Patrick Seeger

In Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern fand die Arbeit des Europarates lange nur wenig Beachtung. Was die eigenen Abgeordneten dort genau machten, interessierte die Öffentlichkeit kaum.

Aus Sicht von autoritär regierten Staaten wie Aserbaidschan dagegen war der Europarat ein entscheidendes Gremium, wenn es um ihren internationalen Ruf ging. Denn er prangert Verletzungen der Menschenrechte ebenso an wie Unregelmäßigkeiten bei Wahlen. Das Regime in Baku setzte offenbar alles daran, das zu ändern.


Welche Bedeutung hat der Prozess in München?

Zum ersten Mal muss sich ein ehemaliger Abgeordneter des Bundestages wegen Bestechlichkeit während seiner Zeit im Parlament verantworten. Der entsprechende Paragraf 108e des Strafgesetzbuches war 2014 verschärft worden, seitdem bezieht er sich ausdrücklich auch auf das Handeln in einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation.

Der Fall lenkt aber vor allem den Blick darauf, wie anfällig wichtige demokratische Institutionen für ausländische Einflussnahme und Korruption sein können.


Wie funktionierte die mutmaßliche Korruption im Europarat?

Als „Kaviardiplomatie“ wurde Aserbaidschans Verhalten im Europarat anfangs beschrieben: Abgeordnete erhielten Geschenke, die sich als sehr wertvoll herausstellten, beispielsweise Kaviardosen.

Eine Abgeordnete aus der Schweiz berichtete, dass sie während eines offiziellen Besuchs in Baku in ihrem Hotelzimmer eine Goldkette mit Perlen und Diamanten vorgefunden habe. Vertreter Aserbaidschans verteilten an Abgeordnete sogar Briefumschläge mit Bargeld, wie ein Zeuge später aussagte.

Auch dabei blieb es nicht: Der italienische Parlamentarier Luca Volontè erhielt insgesamt 2,39 Millionen Euro aus Aserbaidschan. Mit seinen Kontaktpersonen aus Baku besprach er vor allem, wie eine für Aserbaidschan negative Resolution verhindert werden könnte.

Der Angeschuldigte F. (...) hatte mit dem stellvertretenden Mitglied der PACE für Aserbaidschan (...) im Jahre 2011 vereinbart, gegen Bargeldzahlung zukünftig nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans in der PACE tätig zu werden (...).

Generalstaatsanwaltschaft München zur Anklage gegen Axel Fischer

Mittlerweile gab es im Europarat eine ganze Reihe von Abgeordneten, die als „Freunde Aserbaidschans“ galten. Im Januar 2013 stimmte eine Mehrheit gegen die Resolution über Aserbaidschans politische Gefangene – der erste große Erfolg für das autoritär regierte Land.

Nach der Abstimmung soll ein Abgeordneter aus Baku gerufen haben: „Der Europarat gehört uns!“, wie sich Zeugen später erinnerten.


Welche Rolle soll der CDU-Politiker Axel Fischer gespielt haben?

Fischer war seit 2010 reguläres Mitglied der parlamentarischen Versammlung (PACE). Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft ihm vor, er habe 2011 mit einem aserbaidschanischen Abgeordneten vereinbart, „gegen Bargeldzahlung zukünftig nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans in der PACE tätig zu werden, insbesondere durch positive Redebeiträge, die frühzeitige Übermittlung von vertraulichen Dokumenten und durch sein Abstimmverhalten“.

Fischer soll sich tatsächlich für das Land eingesetzt und mindestens einmal wie gewünscht zugunsten Aserbaidschans abgestimmt haben. Dafür habe er im Jahr 2016 einen „Bestechungslohn“ in Höhe von 21.800 Euro erhalten, so die Generalstaatsanwaltschaft.

Zudem soll er 2015 weitere 4500 Euro erhalten haben – dies ist allerdings bereits verjährt. Fischer bezeichnete die Vorwürfe nach der Anklageerhebung als „haltlos“.

Auch gegen die mittlerweile verstorbene CDU-Politikerin Karin Strenz – hier ein Foto von 2017 – wurde ermittelt.

© imago/BildFunkMV/imago stock

Die CDU-Abgeordnete Karin Strenz erhielt nach den Erkenntnissen der Ermittler knapp 150.000 Euro als „Bestechungsgeld“. Sie habe 2015 und 2016 zugunsten Aserbaidschans abgestimmt. Insgesamt soll das Regime in Baku sogar mehrere Millionen Euro über Briefkastenfirmen an den Lobbyisten Lintner gezahlt haben.


Warum wird die Aserbaidschan-Affäre erst so spät aufgearbeitet?

Bereits im Frühjahr 2017 erschütterte der Korruptionsskandal den Europarat, nachdem die Zahlungen aus Baku an den Italiener Volontè bekannt geworden waren. Zudem hatte der Tagesspiegel damals berichtet, dass das Ausmaß des Skandals weit über diesen einen Fall hinausging.

Durch Recherchen von Medien in mehreren Ländern wurden daraufhin die Zahlungen an Strenz bekannt. Die Aufklärung im Europarat gestaltete sich allerdings mühsam, die „Freunde Aserbaidschans“ hatten in wichtigen Gremien eine Mehrheit.

Eine unabhängige Untersuchungskommission, die von der Versammlung eingesetzt wurde, konnte zwar Abgeordnete befragen, aber nicht selbst Geldzahlungen ermitteln. Die Kommission bescheinigte Strenz 2018 einen „dauerhaften Interessenkonflikt“ und einen Verstoß gegen Verhaltensregeln der Versammlung. Doch die Möglichkeiten der Kommission waren begrenzt, sie konnte Abgeordnete befragen, aber nicht selbst ermitteln.

Bewegung kam erst durch staatsanwaltliche Ermittlungen in den Fall. Als Beamte des Bundeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft im Januar 2020 Häuser und Büroräume von Strenz und Lintner durchsuchten, fanden sie auch Material, das Fischer belastete.


Welche Konsequenzen hatte der Fall im Bundestag?

Der Bundestag verhängte gegen Karin Strenz ein Ordnungsgeld von knapp 20.000 Euro – aber nicht, weil sie Geld aus Aserbaidschan angenommen hatte, sondern weil sie dem Parlament die entsprechenden Nebeneinkünfte, die Überweisungen von Lintners Firma, zu spät gemeldet hatte.

Weitere Konsequenzen hatte die Sache für sie im Bundestag nicht, der Unionsfraktion konnte sie weiter angehören. Allerdings wurden sowohl Strenz als auch Fischer 2018 nicht wieder für die deutsche Delegation beim Europarat aufgestellt. Bereits damals war bekannt, dass Fischer die Aufklärung des Korruptionsskandals eher behindert als gefördert hatte.

Der Bundestag hat mittlerweile seine Regeln für Abgeordnete deutlich verschärft. Doch dies passierte vor allem unter dem Eindruck der Affäre um Abgeordnete, die in der Corona-Pandemie von Geschäften mit Schutzmasken profitierten.

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