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Ein Schild warnt in einem zerbombten Wohngebiet nahe Kiew vor Minen.

© Celestino Arce Lavin/Imago Images/Zuma

Update

Krieg gegen die Ukraine: Russland droht mit verstärkten Raketenangriffen auf Kiew

Die Hauptstadt muss wieder mit verstärktem Beschuss rechnen. Die CIA befürchtet, dass ein frustrierter Putin in der Ukraine taktische Atomwaffen einsetzt.

Das russische Verteidigungsministerium hat angekündigt, dass es wieder verstärkte Luftangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew geben werde. „Anzahl und Umfang der Raketenangriffe auf Ziele in Kiew werden als Reaktion auf terroristische Angriffe oder Sabotageakte des nationalistischen Kiewer Regimes auf russischem Territorium zunehmen“, erklärte das Ministerium am Freitag.

Am Vortag hatte Moskau die Regierung in Kiew beschuldigt, russische Grenzstädte anzugreifen. Eine Überprüfung der Vorwürfe von unabhängiger Seite war nicht möglich.

Russland habe am späten Donnerstag als Reaktion eine „militärische“ Fabrik außerhalb Kiews mit seegestützten Kalibr-Langstreckenraketen angegriffen, hieß es weiter. Unter anderem sah ein AFP-Reporter am Freitag nahe der ukrainischen Hauptstadt eine teilweise zerstörte Rüstungsfabrik, in der Raketen vom Typ „Neptun" hergestellt werden.

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Mit diesen hatten die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben zuvor das russische Flaggschiff „Moskwa“ versenkt. Eine Werkstatt und ein Verwaltungsgebäude des Rüstungskomplexes Wisar bei Kiew seien zerstört, berichtete der AFP-Reporter.

Moskau erklärte außerdem, sein Raketensystem S-400 habe einen ukrainischen Hubschrauber vom Typ Mi-8 abgeschossen, der „am 14. April einen Angriff auf Zivilisten in der Ortschaft Klimowo in der Region Brjansk“ verübt habe. Kiew hat den Hubschrauberangriff bestritten und Russland stattdessen beschuldigt, die Vorfälle zu inszenieren, um eine „anti-ukrainische Hysterie“ zu schüren.

CIA-Chef William Burns ist angesichts der Lage besorgt.
CIA-Chef William Burns ist angesichts der Lage besorgt.

© Al Drago /AP/dpa

Angesichts der militärischen Rückschlage für Russland in der Ukraine darf die mögliche Bedrohung eines russischen Einsatzes taktischer Atombomben nach Ansicht von CIA-Chef William Bill Burns nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Moskau habe sich mit den Äußerungen zur erhöhten Einsatzbereitschaft seiner Atomwaffen Drohgebärden bedient, bislang hätten die USA dafür aber kaum praktische Belege wie Truppenbewegungen oder militärische Vorbereitungen gesehen, sagte der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes am Donnerstag an einer Universität im Bundesstaat Georgia.

Mit Blick auf den russischen Staatschef Wladimir Putin sagte Burns: „Angesichts der möglichen Verzweiflung von Präsident Putin und der russischen Führung, angesichts der bislang erfahrenen militärischen Rückschläge, kann keiner von uns die Bedrohung durch einen möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen oder Atomwaffen geringer Sprengkraft auf die leichte Schulter nehmen. Wir tun es nicht“, sagte Burns.

Unter taktischen Atomwaffen versteht man Kernwaffen, deren Wirkungskreis und Sprengkraft deutlich geringer ist als bei strategischen Atomwaffen. Sie könnten bei Kämpfen theoretisch als wirkmächtige Alternative zu herkömmlichen Waffen eingesetzt werden. Russland verfügt über ein Arsenal an taktischen Atomwaffen mit kleinerer Sprengkraft als die Bomben, die die USA im Zweiten Weltkrieg über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten.

In der russischen Militärdoktrin gibt es das Prinzip „Eskalieren, um zu deeskalieren“, das den Erstschlag mit einer Atomwaffe mit geringer Sprengkraft vorsieht, wenn Russland in einem Konflikt mit dem Westen ins Hintertreffen gerät. Die Hoffnung dahinter wäre, dass die Gegenseite sich nach diesem Signal zurückzieht, um die gegenseitige vollständige Auslöschung durch einen Atomkrieg mit großen, strategischen Atombomben zu vermeiden.

US-Präsident Joe Biden sei mit seiner Politik darum bemüht, „einen dritten Weltkrieg zu vermeiden, eine Schwelle zu vermeiden ab der ... ein atomarer Konflikt möglich wird“, sagte der CIA-Chef. Der Präsident habe daher klargemacht, dass weder die USA noch die Nato direkt in den Krieg in der Ukraine eingreifen würden.

Die Sorge im Westen über mögliche Atomwaffenpläne Moskaus war gestiegen, als Putin zum Auftakt des Kriegs in der Ukraine die russischen Abschreckungswaffen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen ließ. Zu diesen Waffen zählt Russland auch seine Atombomben.

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Nach Einschätzung Kiews und westlicher Staaten steht nach dem Rückzug der russischen Boden-Streitkräfte aus dem Großraum Kiew eine russische Großoffensive im Osten der Ukraine unmittelbar bevor. Ziel Moskaus ist laut Experten die Errichtung einer direkten Landverbindung zwischen der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in den Regionen Luhansk und Donezk.

Doch der anhaltende Regen der vergangenen Tage könnte der Ukraine im Kampf gegen die eindringenden russischen Truppen zugute kommen, sagte ein hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Donnerstag. „Die Tatsache, dass der Boden weicher ist“, werde es dem russischen Militär „erschweren, etwas abseits der befestigten Straßen zu unternehmen“, sagte der US-Beamte, der anonym bleiben wollte.

Russland warnte seinerseits Finnland und Schweden erneut vor den „Konsequenzen“ eines möglichen Nato-Beitritts. Ein solcher Schritt hätte Folgen auch „für die europäische Sicherheitsarchitektur insgesamt", erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Beide Länder würden sich dann „automatisch an der Front der Nato wiederfinden“.

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew hatte am Donnerstag gewarnt, dass Russland Atomwaffen in der Nähe der drei baltischen Staaten und Skandinaviens stationieren würde, falls Finnland oder Schweden sich für einen Nato-Beitritt entscheiden. (dpa, AFP)

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