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Politik: Rechenspiele um die Macht

Berlin - Es war eine „Ente“, aber wenn es um die ganz hohe Politik geht, beflügeln auch Enten manchmal Phantasien. Angela Merkel, hatte ein Zeitung gemeldet, drohe die knappe Unionsmehrheit innerhalb der schwarz-roten Koalition zu verlieren.

Von Robert Birnbaum

Stand:

Berlin - Es war eine „Ente“, aber wenn es um die ganz hohe Politik geht, beflügeln auch Enten manchmal Phantasien. Angela Merkel, hatte ein Zeitung gemeldet, drohe die knappe Unionsmehrheit innerhalb der schwarz-roten Koalition zu verlieren. Denn Matthias Wissmann gibt nach der Wahl zum Chef-Autolobbyisten sein Abgeordnetenmandat ab. Und in Mannheim wolle der CDU-Mann Ingo Wellenreuter im Sommer Oberbürgermeister werden, was ebenfalls ein Mandat kosten würde. Wissmann wie Wellenreuter sind direkt gewählt, wegen CDU-Überhangmandaten in Baden-Württemberg gäbe es keine Nachrücker. So weit stimmte die Geschichte. Folge eines Rechenfehlers war der brisante Nachsatz, dass es ab da im Bundestag 222 zu 222 zwischen Union und SPD stehen werde. Stimmt aber nicht – tatsächlich hätte die CDU/CSU immer noch einen Sitz mehr.

Zur Spekulation angeregt hat die Falschmeldung trotzdem. Dem Sprecher der SPD-Rechten, Johannes Kahrs, ist dazu der Satz eingefallen: „Wenn wir im Bundestag einen Sitz mehr haben als die Union, wird Kurt Beck Kanzler.“ Der Satz verwundert niemanden, weil Kahrs als Mann von eher quadratisch-praktischer Denkart bekannt ist. Bemerkenswerter ist da schon, dass überhaupt und wie sich der Vizekanzler äußert. „Wenn die Union ihre Mehrheit verlieren würde, müsste natürlich etwas passieren“, hat Franz Müntefering der „Neuen Presse“ aus Hannover gesagt. Ein Fall indessen, mit dem er im Ernst nicht rechne: „Die Union wird schon dafür sorgen, dass sie ihre Mehrheit in der Koalition behält – und wenn es nur eine einzige Stimme ist.“

Bei der Union sagt amtlich keiner etwas dazu. Was aber nicht etwa heißt, dass er Christdemokraten und Christsoziale kalt ließe. Man erkennt das daran, dass Fraktionschef Volker Kauder intern den Gerhard Schröder gab („Mehrheit ist Mehrheit!“) und dass an anderer Stelle nachgezählt worden ist, dass die Union einen Mehrheitsanspruch notfalls auf 400 000 mehr Zweitstimmen als die SPD aus der Wahl 2004 stützen könnte. Auch ein dahingeknurrtes „Nach meiner Erinnerung ist Mannheim tiefrot“ trägt einiges zur Selbstberuhigung bei. Dabei würde eigentlich ein Blick in den Koalitionsvertrag ausreichen. Da steht auf Seite 142 ein Satz, der all den reizvollen Spekulationen ganz kalt formal den Boden entzieht. Der Satz nämlich lautet: „Die CDU/CSU stellt den Bundeskanzler.“ Von Mehrheit ist dort nicht die Rede.

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