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Pro-Remain-Demonstranten haben an einem Regierungsgebäude in London Schilder und Aufkleber hinterlassen, mit denen sie gegen den Brexit demonstrieren.

© REUTERS

Nach der Großdemonstration in London: Referendumsbefürworter fühlen sich gestärkt

Nach der Londoner Großdemonstration fordern die Befürworter eines zweiten Brexit-Referendums ein Einlenken von Regierungschefin May.

Der massenhafte Zulauf bei einer Großdemonstration in London hat die Debatte über eine zweite Volksabstimmung über den Brexit neu belebt. Bei einer Fernsehdiskussion mit dem Gründer der EU-feindlichen Ukip-Partei, Nigel Farage, erklärte der Remain-Befürworter Lord Andrew Adonis am Sonntag, dass die britische Premierministerin Theresa May den Demonstranten Gehör schenken müsse. Der Labour-Politiker Lord Adonis gehört zu den führenden Vertretern der Kampagne für ein zweites Referendum.

Nach den Angaben der Veranstalter hatten am Samstag mindestens 670.000 Menschen für eine Wiederholung des Brexit-Referendums demonstriert. Demnach wäre der „People’s Vote March“ die größte Protestkundgebung in Großbritannien nach der Demonstration gegen den Irakkrieg im Jahr 2003 mit einer Million Menschen gewesen. Die Polizei machte keine Angaben über die Teilnehmerzahl.

Bei der Demonstration, die durch das Zentrum Londons bis zum Parlament führte, waren die Demonstranten mit Europafahnen und Transparenten mit Aufschriften wie „Brexit is bananas“ („Brexit ist bekloppt“) auf die Straße gegangen. Umfragen zeigen, dass das Lager derjenigen, die den Brexit wegen der wirtschaftlichen Folgen für einen Fehler halten, größer geworden ist. Eine jüngst veröffentlichte Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt allerdings, dass die Bevölkerung immer noch gespalten ist. Demnach erklärten 47 Prozent der Befragten, dass sich die Referendumsentscheidung von 2016 als Fehler herausgestellt habe. 40 Prozent hielten hingegen das Votum auch im Nachhinein für richtig.

Altmaier bedankt sich bei Demonstranten

Gegner einer Wiederholung der Abstimmung, die es sowohl bei den Tories als auch in der Labour-Partei gibt, geben zu bedenken, dass man die Briten nicht so lange über den Brexit abstimmen lassen könne, bis das Ergebnis passe. Im Juni 2016 hatten sich knapp 52 Prozent dafür ausgesprochen, dass Großbritannien die EU verlässt. Nach den Worten von Regierungschefin May würde eine Wiederholung des Referendums einen „Verrat“ am Votum von 2016 darstellen.

Angesichts der großen Beteiligung an der Demonstration in London erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) per Twitter, dass der „People’s Vote March“ die beeindruckendste Unterstützung für Europa darstelle, die er je gesehen habe. „Thx so much!!!“ („Vielen Dank!!!“) twitterte Altmaier.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok.
Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok.

© imago/teutopress

Europapolitiker Brok hält zweites Referendum für denkbar

Ob ein zweites Referendum abgehalten werde, sei „Sache der Briten“, sagte der Brexit-Beauftragte der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Elmar Brok, dem Tagesspiegel. „Die Voraussetzung ist nicht gegeben, weil keine der großen Parteien – die Konservativen und Labour – dafür ist“, sagte der CDU-Politiker. Denkbar sei allerdings die Variante, dass es nach einer möglichen Ablehnung des Austrittsvertrages durch das Unterhaus zu Neuwahlen komme. „Aus Neuwahlen könnte eine Regierung hervorgehen, die ein zweites Referendum abhalten könnte“, sagte der Europapolitiker. Damit der für den 29. März 2019 vorgesehene Austritt noch rückgängig gemacht werden könne, müsse eine solche zweite Abstimmung über den Verbleib in der EU aber spätestens bis zum kommenden Februar stattfinden, so Brok.

Dass ein Austrittsabkommen bei einer möglicherweise im November stattfindenden Abstimmung im Unterhaus durchfällt, gilt als durchaus möglich. Zum einen hat die Labour-Partei bereits hohe Hürden aufgestellt. Das Austrittsabkommen müsse exakt dieselben Vorteile beinhalten wie die gegenwärtige britische Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt und der EU-Zollunion, lautet eine Forderung der Oppositionspartei. Zum anderen könnten bei einer Abstimmung im Unterhaus Brexit-Hardliner in den Reihen der konservativen Regierungspartei den Deal ablehnen, weil er in ihren Augen künftig zu einer zu engen Anbindung an die EU führen würde.

Referendums-Kampagne könnte Labour Stimmen bringen

Da die regierenden Tories im Streit um den Brexit keine klare Linie erkennen lassen, wäre ein Sieg der oppositionellen Labour-Partei bei möglichen Neuwahlen die Voraussetzung für ein zweites Referendum. Vor dem letzten Labour-Parteitag hatte eine Umfrage im vergangenen Monat ergeben, dass 26 Prozent der Befragten eher Labour ihre Stimme geben würden, falls sich die Partei für ein zweites Referendum einsetzen würde. Sechs Prozent der Befragten äußerten hingegen, dass sie sich eher von Labour abwenden würden, falls sich die Partei eine Wiederholung der Volksabstimmung auf die Fahnen schreiben würde. Parteichef Jeremy Corbyn hatte sich beim Parteitag in Liverpool um die Frage herumgedrückt, ob er ein zweites Referendum unterstützen würde. Bei einem BBC-Interview hatte der EU-Skeptiker Corbyn erklärt, es sei noch nicht einmal klar, welche Frage bei einer derartigen Volksabstimmung gestellt würde.

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