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Parlamentarisches Kontrollgremium: Reform in homöopathischen Dosen

Der Bundestag will die deutschen Geheimdienste künftig besser überwachen. Dafür soll es auch mehr Personal geben. Doch Gesetzesänderungen gibt es nicht - erstmal.

Am Ende wird Clemens Binninger (CDU) noch mal schmerzlich erinnert, auch an die eigene Wirkungslosigkeit. „Streuen Sie nur Salz in meine Wunden“, sagt der neue Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) auf die Frage, wie häufig er die Instrumente zur Kontrolle der Nachrichtendienste genutzt hat. Wie häufig er wirklich vor Ort bei den Diensten war und Akten gewälzt hat. „Das war bislang nicht so oft“, gibt Binninger zu.

Nur ist das kein persönliches Fehlverhalten. Es ist ein strukturelles Problem der parlamentarischen Kontrolle. Besonders während des Untersuchungsausschusses zu den Morden des „Nationalsozialiostischen Untergrunds“ (NSU), aber auch in der Affäre um den amerikanischen Geheimdienst NSA ist das deutlich geworden. Das parlamentarische Kontrollgremium in seiner bisherigen Form ist wenig wirkungsvoll. Deshalb wird seit längerem über Reformen gesprochen. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD auch darauf verständigt. Schrittweise und in homöopathischen Dosen sollen diese nun erfolgen. Schon die Wahl des neuen Vorsitzenden gehörte dazu. Bisher hatte meist ein parlamentarischer Geschäftsführer einer Fraktion diese Funktion inne. Mit Binninger steht nun ein Fachmann dem Gremium vor. Und vor allem einer, der auch mehr Zeit dafür aufbringen kann.

„Wir wollen Tempo in den Reformprozess bekommen“, sagte Binninger bei der Vorstellung der ersten Schritte am Donnerstag. Im Mittelpunkt standen Änderungen der Geschäftsordnung des Gremiums. Mögliche Gesetzesänderungen soll es erst geben, wenn die ersten Schritte Mitte der Legislatur evaluiert werden. Die wichtigste Neuerung ist die Schaffung eines „operativen Stabs“. Bisher konnten die Mitglieder des Kontrollgremiums ihrer Arbeit nicht delegieren, und das führte mangels Zeit dazu, dass eben kaum einer wirklich vor Ort war, Akten eingesehen und Gespräche in den Behörden geführt hat. Stattdessen beschränkte sich die Kontrolle auf die regulären Sitzungen des Gremiums. Außerdem erfuhr das Gremium zuletzt immer aus den Medien, was es für aktuelle Entwicklungen und mögliche Skandale bei den Nachrichtendiensten gegeben hat. „Wir sind von dem Willen beseelt, die relevanten Vorgänge nicht wieder nur aus der Zeitung zu erfahren“, sagte Burkhard Lischka (SPD), der die Pläne mit Binninger vorstellte. Der „operative Stab“ soll jetzt Kontrolle vor Ort im Auftrag des Gremiums durchführen.

Dafür gibt es mehr Personal. Bisher gab es ein Referat für das PKGr mit fünf Mitarbeitern, die vor allem administrativ tätig waren. Nun soll ein zweites hinzukommen, das den Stab bilden soll. Das werden laut Binninger fünf bis acht Personen sein. Davon drei neue Stellen, die ausgeschrieben werden und bis Sommer besetzt sein sollen. Die anderen würden sich aus Umschichtungen ergeben. Die Arbeitsaufträge werden vom Gremium erteilt, können aber auch von einzelnen Abgeordneten im PKGr aufgegeben werden. In Ausnahmefällen kann die Mehrheit dies verweigern. „Damit soll verhindert werden, dass mit einem Auftrag der ganze Stab lahmgelegt wird“, sagte Binninger. Andererseits stärke das die Rechte der Minderheit. Gleichzeitig können Sitzungen, an denen die Präsidenten der deutschen Dienste, also Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst teilnehmen, per Tonband aufgezeichnet werden.

Auch soll es nun jährliche Berichte des Gremiums geben. Diese sind eigentlich nichtöffentlich, aber es gäbe laut Lischka die Möglichkeit, diese auch öffentlich vorzustellen. Beim Thema Öffentlichkeit sind Binninger und Lischka zurückhaltend. Zwar solle auch die Arbeit des Gremiums transparenter werden, aber das sei ein schmaler Grat, da viele der Themen der Geheimhaltung unterlägen. „Da will ich zu hohen Erwartungen vorbeugen“, sagte Binninger. Er verschließe sich nicht grundsätzlich öffentlichen Sitzungen, aber dafür sei eine Gesetzesänderung notwendig. „Die Hauptaufgabe des Gremiums wird weiter im Geheimen bleiben.“

Für Binninger ist der „operative Stab“ ein „Kulturwandel“. Union und SPD sind zuversichtlich, dass ihr neuer Stab nicht abblitzt bei den Diensten. „Wir haben die Erwartungshaltung an die Dienste, uns Auskunft zu geben. Sollten wir merken, dass diese dem nicht nachkommen, muss man über Gesetzesänderungen nachdenken“, sagte Lischka, ohne jedoch konkret zu werden. Binninger verweist auf den NSU-Untersuchungsausschuss, in dem er Obmann der Union war. Dort habe man auch mit einem Team gearbeitet, das im Auftrag des Ausschusses in den Behörden gewesen sei. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hätte dieses Team dann ein „Maximum an Zugängen“ erhalten. „Wir haben genug Instrumente zur Kontrolle, nur konnten wir diese mangels personeller und zeitlicher Ressourcen bisher nicht richtig nutzen“, sagt Binninger. Zumindest strukturell soll sich das ändern.

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