Föderalismus: Reform ohne Änderungen
Die Spitzen der großen Koalition wollen trotz wachsender Widerstände die bereits ausgehandelte Föderalismusreform ohne Abstriche durchsetzen. Ein Spitzengespräch soll die Bedenken der Fachpolitiker von SPD und CDU ausräumen.
Berlin - Nach dpa-Informationen vom Mittwoch haben die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Volker Kauder und Peter Struck, für diesen Donnerstag zu einem Spitzengespräch in Berlin eingeladen.
Dort soll in Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten und des Vize-Kanzlers Franz Müntefering (SPD) dieses Ziel nochmals bekräftigt werden, obwohl Fachpolitiker beider Fraktionen erhebliche Bedenken haben. Ein Aufschnüren des Pakets, das im November parallel zur Koalitionsvereinbarung ausgehandelt worden war, lehnen die Spitzen strikt ab. Auf diese Linie hätten sie sich bereits an diesem Dienstag verständigt, hieß es aus Koalitionskreisen. Es bestehe die Sorge, dass bei kleinsten Änderungen das "Gesamtprojekt wackelt".
Das Gesetz, für das eine Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat notwendig ist, soll am 10. März zeitgleich in beide Kammern eingebracht werden. Jüngst hatten sich in der großen Koalition Forderungen nach Änderungen an der geplanten Staatsreform gemehrt. "In den zentralen Zukunftsfeldern Bildung und Umwelt droht durch den ausgehandelten Kompromiss eine Kleinstaaterei, die für unser Land in keiner Weise tragbar ist", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Die SPD-Umweltpolitiker Marco Bülow und Matthias Miersch schrieben dem Blatt zufolge an Struck, für sie werde es schwierig zu erklären, warum nach langjährigen Verhandlungen ein völlig unpraktikables Umweltgesetzbuch zu Stande gekommen sei. Der SPD-Bildungsexperte Jörg Tauss zeigte sich dagegen zuversichtlich, in seinem Fachbereich eine wesentliche Veränderung erreichen zu können. "Wir werden das ganze Paket sicher nicht wieder aufschnüren können, aber das Finanzierungsverbot des Bundes muss vom Tisch."
Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen äußerte Kritik. Die neuen gesetzlichen Zuständigkeiten im Umweltschutz seien "unsystematisch, lückenhaft und in erheblichem Maße für Bund-Länder-Konflikte anfällig", warnen die Umweltweisen in einer Analyse der geplanten Aufgabenverteilung. Moniert werden darin die geplanten neuen Möglichkeiten der Länder, beim Natur- und Wasserschutz sowie bei der Raumplanung von der Bundesgesetzgebung abweichen zu dürfen. Die Zersplitterung des Rechts stehe den Zielen des allseits gewollten Umweltgesetzbuches entgegen, sagte der Vorsitzende Hans-Joachim Koch.
Im Umweltausschuss schlossen sich Vertreter aller Parteien an diesem Mittwoch mit unterschiedlichen Betonungen den Bedenken an. Der umweltpolitische Teil stecke voller "innerer Widersprüche", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin des Ministeriums, Astrid Klug (SPD).
An dem Spitzengespräch sollen auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), ihr Innenkollege Wolfgang Schäuble (CDU) sowie Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) teilnehmen. Erwartet werden auch die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (Bayern, CSU), Kurt Beck (Rheinland-Pfalz, SPD), Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen, CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Auch die zuständigen Politiker der Fraktionen sollen mit am Tisch sitzen. Die Vereinbarung zur Föderalismusreform sieht vor, dass die Länder im Bundesrat Zustimmungsrechte abgeben, dafür unter anderem im Bildungs- und Umweltbereich mehr Kompetenzen erhalten. Erste Anläufe für die Reform waren Ende 2004 und Mitte 2005 gescheitert. (tso/dpa)