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Auch ein Mittel, um Unsicherheit zu bekämpfen: Im Duisburger Stadtteil Marxloh installierte die Polizei vor wenigen Jahren 19 Videokameras.

© Roland Weihrauch/dpa

NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann: „Regeln, Recht und Ordnung heißt unser Versprechen“

Im September sind Kommunalwahlen in NRW. Zeit für ein klärende Worte des SPD-Landeschefs zur inneren Sicherheit. 

Von Hans Monath

Auf den Ruf seiner Parteichefin nahm Sebastian Hartmann wenig Rücksicht, als er kürzlich Saskia Esken nach ihren Äußerungen zum latenten Rassismus in der deutschen Polizei auf Facebook hart widersprach. Zu wichtig war dem Landesvorsitzenden der NRW-SPD das Vorhaben, für seine Partei wieder Kompetenz auf dem Feld der inneren Sicherheit zurückzuerobern.

Diesen Plan sah der Bundestagsabgeordnete gefährdet, weil auch bei ihm heftige Reaktionen aus den nordrhein-westfälischen Gewerkschaften eingingen, die er als „strategische Verbündete“ der SPD für unverzichtbar hält. „Wenn wir die Sicherheitsbehörden besser machen wollen, brauchen wir sie an unserer Seite und nicht auf der Palme“, sagt der 42-Jährige, der vor genau zwei Jahren zum Landesparteichef gewählt worden war.

Hartmann arbeitet schon länger an seinem Projekt. Zum Jahreswechsel veröffentlichte er mit der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Thesenpapier („Sicherheit für alle ist die Voraussetzung einer freien und gleichen Gesellschaft“), in dem er für einen breiten Ansatz warb. Heute sagt er: „Wir können in der öffentlichen Debatte gewinnen, wenn wir den Begriff Sicherheit weit fassen, nämlich innere, äußere und soziale Sicherheit zusammen sehen.“ Dann werde auch deutlich, dass die SPD „ein anderes Gesellschaftsbild und Staatsverständnis als Konservative oder Rechtsnationale“ habe.

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In Hartmanns Bundestagsbüro steht ein Foto, das ihn mit dem Kommandeur der Anti-Terror-Einheit GSG 9 zeigt. Es ist ihm nicht nur wichtig, weil die Bundespolizei-Spezialisten in seinem Wahlkreis ihre Kaserne haben. Wenn es nach dem Chef des größten SPD-Landesverbandes geht, reden Sozialdemokraten künftig anders über Sicherheit, nämlich härter. „Recht, Regeln und Ordnung heißt unser Versprechen“, sagt der Politiker: „Das muss für alle Teile der Gesellschaft gelten - an einem sozialen Brennpunkt, der zugemüllt wird, genauso wie bei Bankern, die mit Steuertricks die Gemeinschaft betrügen. Auch da müssen Gesetze knallhart angewandt werden."

Allein auf sinkende allgemeine Kriminalitätszahlen zu verweisen, werde nicht reichen, warnt der SPD-Politiker. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten steige und auch die Zahl ihrer Gewalttaten. Statistiken seien wichtig, aber es gebe auch eine gefühlte Sicherheit. „Wir haben bei der Flüchtlingsdebatte nach dem Herbst 2015 erlebt, dass eine emotionale Lage entstanden war, die viele Menschen beschäftigte“, sagt Hartmann. Gefühle könne Politik nicht mit dem Verweis auf Zahlen aus der Welt schaffen.

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Der Landesvorsitzende empfiehlt dagegen eine stärkere Präsenz des Staates: „Wir können Sozialräume anders gestalten, öffentliche Plätze besser beleuchten, die Frequenz von Polizeistreifen erhöhen.“ Gestoppt werden müsse der Trend, Polizeiwachen auf dem Land „wegzurationalisieren“. Sie müssten weiterbetrieben werden auch als Zeichen, „dass der Staat präsent bleibt“. Wenn Hartmann so redet, denkt er auch an die Industriearbeiter, von denen die SPD vor allem in NRW viele an die AfD verloren hat.

Im Januar hatte der stellvertretende Essener SPD-Vorsitzende Karlheinz Endruschat die Partei mit der Begründung verlassen, sie habe kein Interesse, die Probleme rund um die Zuwanderung auch nur anzuerkennen. Parteichefin Esken zeigte sich damals unbeeindruckt, sagte nur lakonisch, es gebe jeden Tag Eintritte und Austritte. Dabei sind schon im September in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen, ein wichtiger Termin für die SPD.

Hartmann ist völlig anderer Meinung als Esken: „Wir müssen Sorgen ernst nehmen“, fordert er. In NRW gebe es Städte und Gemeinden, in denen die Enkelgeneration von Migranten gut integrierter Teil der aktiven Stadtgesellschaft sei „und es trotzdem Probleme gibt, die auch benannt werden müssen“. Eine gute Politik müsse verhindern, dass es einen Verteilungskampf um Angebote des Staates gebe, in der Bildung oder bei staatlich geförderten Wohnungen.

Glaubt man dem Landeschef, sind die Kommunen zentral. Ihre Handlungsfähigkeit sei beschnitten gewesen, weil sich der Staat zurückgezogen habe. Sein Plan: „Die Kommunen müssen gestärkt werden, weil sie Bildungsarbeit betreiben und Quartiersmanagement leisten.“ Deshalb habe die SPD für sie Hilfen im Konjunkturpaket durchgesetzt und plädiere weiter für ihre komplette Entschuldung.

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Wer Hartmanns Plädoyer für Prävention ernst nimmt, muss ihm die Frage stellen: Wie kann es sein, dass in dem jahrzehntelang von der SPD regierten NRW in Großstädten Probleme mit Migranten zu beobachten sind, die für das Scheitern von Integration stehen? An dieser Stelle weist der Abgeordnete daraufhin, dass er nie Mitglied der 2017 abgewählten SPD-Landesregierung war. Das klingt, als wolle er sagen: Die Fehler haben andere zu verantworten. Für ihn gelte: „Ich habe als Landesvorsitzender sehr selbstbewusst Felder definiert, die wir klären müssen, weil zu lange unklar war, wo wir hinwollen. Es geht um Bildung, um den solidarischen Staat und um Sicherheit." 

Hartmanns Problem: Er führt  einen zerstrittenen Landesverband. Sein Widersacher Thomas Kutschaty, Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, widersprach ihm nun energisch. Hartmann hatte für Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten plädiert, Kutschaty hielt dagegen: In der SPD gebe es „viele, die Kanzler können“.

Im schrumpfenden Kosmos der SPD werden viele Papiere geschrieben. Hartmann glaubt trotzdem an die Wirkung seines Sicherheitskonzepts. Denn mit eigenen Papieren hat er nur gute Erfahrung: Als er im Oktober 2017 eine Analyse der verlorenen Bundestagswahl schrieb, beförderte ihn die ein halbes Jahr später an die Spitze der NRW-SPD.

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