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Regierungschef Alexis Tsipras - hier bei der jüngsten Parlamentsdebatte über die Wirtschaft und die Eurogruppen-Beschlüsse - kann nicht mehr auf seine Koalitionspartner bauen.

© Louisa Gouliamaki/AFP

Griechenland: Regierung von Alexis Tsipras steht vor dem Aus

Die Koalition in Athen hat sich erschöpft - Linke wie Rechte suchen neue Partner. Das Land steuert auf baldige Neuwahlen zu.

Sie waren eine „perfekte Kombination“, wie Regierungsinsider in Athen loben, aber im politischen Geschäft ist alles endlich. Alexis Tsipras und Panos Kammenos, die Sparkursgegner von ganz links und von rechts, die 2015 in Griechenland erst die Regierung übernahmen und dann doch ein weiteres Sparprogramm mit den Gläubigern unterschrieben, haben sich nicht mehr viel zu sagen.

Vorgezogene Parlamentswahlen am 26. Mai 2019, zusammen mit den Europawahlen, seien nun Tsipras’ bevorzugte Option, heißt es aus Regierungskreisen. Syriza und Anel, die nominell Linksradikalen von Ministerpräsident Alexis Tsipras und die rechtspopulistische Kleinpartei Unabhängige Griechen seines Verteidigungsministers Panos Kammenos, sind auf dem Weg der Trennung.

Ob die Koalition noch bis zum Frühjahr 2019 durchhält, ist allerdings die Frage. Neuwahlen im Herbst sind ebenfalls denkbar. Denn die Regierungsmehrheit im Parlament ist auf nur noch zwei Sitze geschrumpft. Zwei Abgeordnete hat die Links-Rechts-Koalition in den vergangenen Wochen eingebüßt. Die Mehrheit kann schnell weg sein.

Mazedonien ist der Anlass für das nun absehbar gewordene Ende der linksgeführten Regierung. Der rechte Juniorpartner in der Koalition stellt sich gegen die Vereinbarung, die Tsipras und sein linker Außenminister Nikos Kotzias mit der Regierung in Skopje zur Beilegung des Namensstreits getroffen haben. „Für mich ist das Abkommen schlecht. Ich akzeptiere es nicht und werde versuchen, es zu blockieren“, kündigte Panos Kammenos am Dienstag vor der Presse an. Am Vortag hatte er in der Kabinettssitzung gefehlt, was die Spekulationen über ein Ende der Regierung anheizte.

Ebenso wie die konservative Opposition im Parlament und die nationalistischen Wähler in Griechenland will Kammenos keinen Staatsnamen für das kleine Nachbarland hinnehmen, der den Begriff „Mazedonien“ enthält. Dies würde einer Enteignung der griechischen Geschichte gleichkommen, lautet das Argument. Denn „Mazedonien“ heißt die Provinz, die den Großteil von Nordgriechenland bildet. Das „Mazedonien“ der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik sei dagegen nur eine Erfindung.

„Nord-Mazedonien“, was das Abkommen zwischen Athen und Skopje als neuen Staatsnamen vorsieht, will Kammenos deshalb verhindern. Er schwimmt allerdings gegen den Strom: Die Vereinbarung über den Namen öffnet Mazedonien den Weg in die Nato und die EU. Kammenos wird nächste Woche auch beim Nato-Gipfel in Brüssel dabei sein, an der Seite von Tsipras und Kotzias, und grummelnd hinnehmen, dass Skopje dann offiziell eine Einladung zum Beitritt in die Allianz erhält.

Mit etwas Abstand betrachtet, ist der Mazedonien-Streit eher ein willkommener Anlass, um sich von den Linken freizuschwimmen. Das Ende der Kreditprogramme ist der eigentliche Grund. Am 20. August läuft der dritte Rettungskredit aus, den Griechenland aufgenommen hat. Auch innerhalb der Regierungspartei Syriza herrscht die Auffassung, dass die Basis für eine Zusammenarbeit mit den Unabhängigen Griechen nun erschöpft ist.

„Die Bipolarität von links und rechts hat es immer gegeben“, stellt der Syriza-Abgeordnete Aristides Baltas fest. Sie sei in den vergangenen Jahren nur durch das Sparprogramm, das die Gläubiger Griechenland auferlegten, in den Hintergrund getreten. „Sobald wir das Memorandum verlassen, kommen diese Dinge wieder in die Debatte“, sagt Baltas voraus. Er ist ein emeritierter Philosophieprofessor und war Kulturminister im ersten Kabinett von Alexis Tsipras.

Die Konservativen sind mit dem Makel der Vetternwirtschaft behaftet

Tsipras und Kammenos haben aber dasselbe Problem: Sie brauchen neue politische Partner. Für Tsipras geht es um die Mehrheit zum Weiterregieren, für Kammenos überhaupt um den Wiedereinzug ins Parlament nach Neuwahlen. Umfragen sehen seine Partei Anel unter der Sperrklausel von drei Prozent. Syriza wiederum liegt seit eineinhalb Jahren stabil um wenigstens zehn Prozentpunkte hinter der konservativen Nea Dimokratia (ND). Aber: Tsipras' Chancen bei einer Neuwahl sind besser, als sie aussehen. Zum einen hat sein Gegner Kyriakos Mitsotakis, der Vorsitzende der ND, den Makel, eine Politikerfamilie zu vertreten, die für die alten Sünden Griechenlands mitverantwortlich gemacht wird – Nepotismus, Korruption, verantwortungslose Haushaltspolitik. Mitsotakis’ Vater Konstantinos war Regierungschef, seine Schwester Dora Bakoyannis Athener Bürgermeisterin und Außenministerin. Viele Griechen haben mit der Ära der politischen Familienclans Mitsotakis, Karamanlis und Papandreou abgeschlossen.

Zum anderen ist es Tsipras gelungen, mit dem Mazedonien-Abkommen die Opposition im Parlament zu spalten: sowohl die konservative ND wie die neue kleine Bewegung für den Wandel (Kinima Allagis); Letztere sammelte die einstige linke Regierungspartei Pasok und die liberale Bürgerbewegung Der Fluss (To Potami).

Mitsotakis positionierte sich gegen das Abkommen mit Mazedonien, um seine Parteirechte in Zaum zu halten. Dass sich der 50-jährige Mitsotakis dabei unwohl fühlt und insgeheim für die Lösung mit Skopje ist, ebenso wie die griechische Wirtschaft, scheint jedermann in Griechenland aber ersichtlich. Ähnlich sieht es beim Mitte-links-Bündnis aus. Es zerbrach diese Woche an der Mazedonienfrage. Pasok stellt sich gegen das Abkommen, To Potami stützt es. Die liberale Kleinpartei gilt deshalb als denkbarer neuer Partner für Tsipras. Kommt es dazu, wird sich der gewiefte Taktiker als Modernisierer präsentieren, der Griechenland aus der Herrschaft der Gläubiger geführt und in Europa Anerkennung für die Normalisierung mit Mazedonien geerntet hat.

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