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Was noch "Eigene Dateien" sind, wenn die Zweckbindung ausgehöhlt wird, ist fraglich.

© dpa

Brüssel: Regierungen bohren Löcher in Datenschutzverordnung

In Brüssel wird mit Hochdruck über die Reform des europäischen Datenschutzes verhandelt. Doch auf den letzten Metern versuchen offenbar einige Regierungen, zentrale Prinzipien auszuhöhlen - darunter auch die Deutschen.

Von Anna Sauerbrey

Berlin - In Brüssel verhandeln Vertreter der EU-Innen- und Justizminister derzeit unter Hochdruck über eine neue europäische Datenschutzverordnung. Nun gibt es Hinweise, dass einige Regierungen, darunter die Bundesregierung, versuchen, auf den letzten Metern zentrale Grundsätze des Datenschutzes aufzuweichen, die gerade im digitalen Zeitalter bedeutend sind. Das geht aus einem aktuellen Verordnungsentwurf der „Dapix-Gruppe“ hervor, der Arbeitsgruppe, die die Entscheidungen der Innen- und Justizminister vorbereitet. Das Papier liegt dem Tagesspiegel vor.

Rechnungsdaten für's Marketing? Die Deutschen wollen offenbar die Zweckbindung aushöhlen

Demnach würde zum einen die Zweckbindung ausgehebelt werden. Schon heute dürfen Unternehmen Daten eigentlich nur zu dem Zweck verwenden, für den sie sie erhoben haben. Sie dürfen etwa Daten zur Rechnungslegung nicht einfach für das Marketing oder die Bewertung der Kreditwürdigkeit verwenden. So steht es schon in der Datenschutzrichtlinie von 1995. Auch der Reformvorschlag der Kommission sieht eine starke Zweckbindung vor.

Nun wurde in Kapitel II, Artikel 6(4) eine weitreichende Ausnahme eingefügt. Demnach wäre die Verarbeitung für andere Zwecke rechtmäßig, wenn die „Interessen“ des Unternehmens oder Dritter „schwerer wiegen“ als die des Bürgers. Eine so allgemeine Formulierung käme einem Freibrief gleich. Die Ausnahme soll auf Wunsch der Deutschen eingefügt worden sein.

Behörden sollen mehr Rechte bekommen

Außerdem wurde an gleicher Stelle ein Satz gestrichen, der eine weitergehende Datenverarbeitung durch staatliche Behörden hätte verhindern sollen. Sollte der Text so Bestand haben, könnten Staaten zur Datenverarbeitung autorisiert sein, wann immer es ihrem „legitimen Interesse“ entspricht – nicht erst dann, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Allerdings stellt sich die deutsche Regierung ebenso wie die Kommission gegen diese Ausweitung des Rechts von Behörden.

Der Grundsatz der Datensparsamkeit steht auf dem Spiel

Drittens steht auch der Grundsatz der Datensparsamkeit auf dem Spiel. Die Idee der Verordnung ist es, schon das Sammeln der Daten auf das absolut Notwendige zu beschränken – um etwa eine Zweckentfremdung gar nicht erst zu ermöglichen. Die Verordnung soll das Erheben von Daten nach Vorstellung der Kommission deshalb auf das absolut Notwendige beschränken. Nach Wunsch einiger Regierungen soll das Erheben von Daten aber schon dann möglich sein, wenn es „nicht exzessiv“ ist – wiederum eine Formulierung, die praktisch alles erlaubt, geändert in Kapitel II, Artikel 5. Laut den Unterlagen stellen sich die deutsche Regierung und die Kommission gegen die Aufweichung, Deutschland schlägt eine deutlich restriktivere Formulierung vor.

Bereits am Freitag, 13.3., sollen die Innen- und Justizminister das betroffene grundlegende Kapitel II beschließen. Der Druck ist derzeit hoch. Bis Ende des Jahres soll das Mammutprojekt, das den Datenschutz an das digitale Zeitalter anpassen soll, endlich stehen. Dazu hat sich auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bekannt. Offenbar versuchen nun einige, den Zeitdruck zu ihren Gunsten zu nutzen.

Ein Dokument zum Verhandlungsstand von Dezember hat Netzpolitik.org hier veröffentlicht.

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