
© AFP/ODD ANDERSEN
Regierungsbefragung im Bundestag: Die AfD fragt nach Bundeswehrsoldaten in der Ukraine und Merz weicht aus
Bei der Regierungsbefragung verzichtet der Kanzler auf einleitende Worte, viele Abgeordnete bleiben fern. Zur Soldaten-Frage sagt Merz, manche Fragen seien nicht so einfach zu beantworten.
Stand:
Die Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch hat mit einem Gedenken an die Opfer des antisemitischen Anschlags von Bondi Beach begonnen. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) erinnerte an die besondere Verantwortung Deutschlands, jüdisches Leben zu schützen, und leitete anschließend zur Befragung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über. Das Plenum war nur teilweise gefüllt – vor allem in den Reihen der SPD, der Linken und der AfD blieben viele Plätze leer, während Union und Grüne etwas stärker vertreten waren.
Inhaltlich dominierten zunächst Fragen zur Ukraine. Hintergrund ist ein Vorstoß mehrerer europäischer Staaten, die Anfang der Woche in Berlin eine von Europa geführte multinationale Truppe ins Gespräch gebracht hatten. Diese soll nach einem möglichen Waffenstillstand Sicherheitsaufgaben übernehmen und die Ukraine beim Schutz ihres Luftraums und der Seewege unterstützen – „auch durch Operationen innerhalb der Ukraine“. Der Vorschlag hat die Diskussion über eine mögliche deutsche Beteiligung neu entfacht.
Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier wollte vom Kanzler wissen, ob deutsche Soldaten an einer solchen Mission teilnehmen würden. Merz wich einer klaren Antwort aus. Manche Fragen seien nicht mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten, sagte er. Entscheidend seien verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem Waffenstillstand, der erst noch ausgehandelt werden müsse. Er verwies mehrfach auf das Jahr 2014, als die Ukraine nach der Annexion der Krim ohne belastbare Zusagen aus dem Westen geblieben war. Diesen Fehler dürfe Europa nicht wiederholen.
Gleichzeitig betonte Merz, Deutschland werde die Ukraine dauerhaft unterstützen – „solange wie notwendig“. Diese Linie wolle er auch beim EU-Gipfel in Brüssel vertreten, zu dem er am Nachmittag abreisen wird. Dort steht unter anderem die Frage auf der Agenda, ob eingefrorenes russisches Staatsvermögen für die Ukraine genutzt werden soll. Merz nannte dies eine „Schlüsselfrage“ für die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. In seinem Umfeld war im Vorfeld von einer „Schicksalswoche“ für Europa die Rede.
Merz sieht bei EU-Vorschlag zum Verbrenner-Aus noch Redebedarf
Zur Sprache kam zudem der Vorschlag der EU-Kommission zur Anpassung des geplanten Verbrenner-Aus von 2035. Merz sieht dabei nach eigenen Worten „noch Gesprächsbedarf“. Grundsätzlich gehe der Vorschlag in „die richtige Richtung“, sagte er, Details müssten jedoch noch geklärt werden.
Die Kommission bewege sich mit ihrer Idee stärker in Richtung Technologieoffenheit – ein Ansatz, den die Bundesregierung seit Langem befürwortet. Deutschland bekenne sich weiterhin zum Ziel der Klimaneutralität, betonte der Kanzler. Gleichzeitig solle die Modernisierung der Automobilindustrie mit verschiedenen Technologien ermöglicht werden.
Auf eine Frage zur Cyberabwehr kündigte Merz an, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu überprüfen und gegebenenfalls erweitern zu wollen, um auf Angriffe effektiver reagieren zu können. Man prüfe derzeit, „über das Netz auch die Herkunftsorte dieser Angriffe nicht nur zu identifizieren, sondern auch zu beschädigen“. Dafür werde untersucht, ob zusätzliche Rechtsgrundlagen erforderlich seien. Merz sprach von einer „zunehmenden Bedrohung unserer inneren Sicherheit“, die „nicht nur, aber auch und vor allem im Cyberraum aus Russland“ komme. Angaben des Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz, die Öffentlichkeit werde über Cyberangriffe unzureichend informiert, wies Merz zurück.
Ebenfalls sicherheitspolitisch äußerte sich der Kanzler zum neuen Wehrdienst. Merz kündigte an, „spätestens im Jahr 2027“ überprüfen zu lassen, ob genügend Freiwillige gewonnen werden können. Sollten die Zahlen nicht ausreichen, „werden wir nicht umhinkommen, auch über eine verpflichtende Dienstzeit bei der Bundeswehr zu sprechen“.
Der neue Wehrdienst sieht vor, dass ab Jahrgang 2008 alle 18-jährigen Männer verpflichtend einen Fragebogen ausfüllen und zur Musterung müssen, der Dienst selbst aber freiwillig bleibt. Für Frauen wäre beides freiwillig. Merz betonte, man setze zunächst auf Freiwilligkeit und Attraktivität, müsse die Option einer Pflichtdienstzeit aber offenhalten.
Merz unzufrieden mit Ergebnissen von Pflege-Arbeitsgruppe
Auch innenpolitische Themen kamen zur Sprache. Merz äußerte deutliche Vorbehalte gegenüber dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“, der zentrale Fragen der Finanzierung offenlässt. Pflegebedürftige müssten sich langfristig auf die Solidarität des Sozialstaats verlassen können, so Merz. Kassen und Verbände hatten die Ergebnisse zuvor als unzureichend kritisiert.
Ergänzend machte Merz deutlich, dass er die Ergebnisse der Arbeitsgruppe als „nicht befriedigend“ bewertet. Dies reiche nicht aus, um die Pflegeversicherung dauerhaft zu stabilisieren. „Wir werden im nächsten Jahr über die Zukunft der Pflegeversicherung ausführlich zu beraten haben“, sagte er. Vorerst werde die Zahlungsfähigkeit durch Bundesdarlehen gesichert. Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe werden verschiedene Optionen aufgeführt – etwa mehr Prävention, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder hinauszuzögern. Die finanzielle Lage bleibt angespannt: In diesem Jahr erhält die Pflegeversicherung ein Darlehen von 500 Millionen Euro, 2026 sollen weitere 3,2 Milliarden Euro folgen.
Auch stilistisch setzte Merz eigene Akzente. Anders als sein Vorgänger Olaf Scholz verzichtete er zu Beginn der Befragung auf einleitende Worte – ein bewusster Verzicht, der den Ton der Sitzung prägte. Im Zusammenspiel mit der dünnen Präsenz vieler Abgeordneter entstand der Eindruck einer eher verhaltenen, aber inhaltlich dichten Regierungsbefragung. (mit dpa/AFP/Reuters)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: