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Rentenpaket vor der Abstimmung: Eine Mehrheit dank der Linken wäre eine Blamage für Merz
Das Rentenpaket dürfte am Freitag verabschiedet werden, doch für den Kanzler geht es um einen Vertrauensbeweis. Im Hintergrund wird um jede Stimme gekämpft.
Stand:
Am Mittwochmittag scheint die Mehrheit für das umstrittene Rentenpaket endgültig zu stehen. Das liegt jedoch nicht an der Unionsfraktionsspitze, die seit Tagen versucht, die möglichen Abweichler von CDU und CSU zu überzeugen. Zum Erfolg scheint dem Bundeskanzler die Linksfraktion zu verhelfen, ausgerechnet.
„Wir werden nicht akzeptieren, dass das Rentenniveau noch weiter gedrückt wird, und haben uns als Fraktion deshalb entschlossen, uns bei der voraussichtlich am Freitag anstehenden Abstimmung zum Rentenpaket der Regierung zu enthalten“, teilt Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek mit. Durch die Enthaltung der 64 Abgeordneten sinken die Hürden für eine Mehrheit erheblich.
Der Druck auf Unionsfraktionschef Jens Spahn und Kanzler Friedrich Merz dürfte jedoch keineswegs sinken. Denn sollte der schwarz-roten Koalition am Ende die Kanzlermehrheit fehlen, würde das wichtige Rentenpaket nur aufgrund der Linken beschlossen werden. Für die AfD ein gefundenes Fressen und auch für die Konservativen unerträglich. Sie haben einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der SED-Nachfolgepartei.
In der Union wird Merz verantwortlich gemacht
Umso intensiver werben die Unions-Spitzen daher bei den eigenen Leuten für Geschlossenheit. In der Fraktionssitzung am Dienstagabend hatte der Kanzler Gefolgschaft eingefordert. „Ich sehe, wer klatscht und wer nicht“, sagte er Teilnehmern zufolge. Viele Abgeordnete verstanden dies als explizite Drohung und verbale Entgleisung des Kanzlers, der noch vor wenigen Wochen die Junge Union inhaltlich in ihrer Rentenkritik bestärkt hatte.
Wenn die Koalition scheitert, wird es gar keine Rentenreform geben.
Der CDU-Politiker Lukas Krieger will trotz inhaltlicher Zweifel für das Rentenpaket stimmen.
In der CDU/CSU-Fraktion machen Merz deshalb viele für die Lage mitverantwortlich. Er habe Erwartungen geweckt und die 18 Abgeordneten der Jungen Gruppe ins offene Messer laufen lassen. Die inhaltliche Kritik der Rentenrebellen teilen viele. Das wurde am Dienstag auch in einer Abstimmung deutlich, bei der mehr als 20 Abgeordnete gegen das Rentenpaket votiert haben sollen oder sich enthielten – darunter auch ältere Abgeordnete.
Zu ihnen zählt Lukas Krieger. „Inhaltlich ist dieses Paket komplett falsch“, sagte der Berliner Abgeordnete dem Tagesspiegel. Anders als in der Fraktionssitzung werde er aber dem Kanzler folgen. „Ich werde für das Rentenpaket stimmen, weil Deutschland in der aktuellen Lage eine stabile Regierung benötigt und es die einzige Möglichkeit ist, noch zu guten Sozialreformen zu kommen. Wenn die Koalition scheitert, wird es gar keine Rentenreform geben“, sagte Krieger.
Wie Krieger scheinen auch andere Abgeordnete zu verfahren. Dem Tagesspiegel berichteten mehrere Unions-Politiker, dass sie am Freitag mit Ja stimmen wollen. Doch es wird wohl auch mehrere Nein-Stimmen geben.
Für zusätzlichen Ärger sorgt, dass am Freitag – anders als geplant – nicht über den begleitenden Entschließungsantrag zum Arbeitsauftrag für eine Rentenkommission abgestimmt werden soll. Diesen Antrag hatten die Spitzen von Union und SPD im Koalitionsausschuss vergangene Woche beschlossen, um auf die Junge Gruppe zuzugehen.

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Doch in der Union gibt es Kritik am Begleitantrag, vorwiegend aus dem einflussreichen Parlamentskreis Mittelstand (PKM) und von dessen Chef Christian von Stetten. Im PKM ist man verärgert darüber, dass es ein Prüfauftrag in den Text geschafft hat, wonach künftig auch Kapitalerträge von Renten-Abgaben betroffen sein könnten. Ein Vorschlag, den einst Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck im Wahlkampf gemacht hatte. Auf Betreiben des PKM wird nun doch nicht über den Entschließungsantrag abgestimmt.
Bei den jungen Abgeordneten sorgt der Vorgang, von dem sie offenbar aus der Presse erfuhren, für weitere Verärgerung. Wie viele Abgeordnete bis zur Frist von Mittwoch, 12 Uhr, ihr abweichendes Stimmverhalten anmeldeten, wollte die Unionsfraktion nicht mitteilen.
Doch offenbar ist man bei Union und SPD alarmiert. Vor der Abstimmung am Freitag wurden alle Abgeordneten nach Berlin zitiert. Auch Bauministerin Verena Hubertz, die eigentlich im Mutterschutz ist, will als SPD-Abgeordnete an der Abstimmung teilnehmen. Ein anderer Abgeordneter muss seine Delegationsreise mit dem Bundespräsidenten in London früher beenden.
Wir Grünen werden diesem Gesetz ganz sicher nicht zustimmen.
Grünen-Politiker Timon Dzienus wettert gegen die Pläne von Schwarz-Rot.
Auch in der Opposition wird mobilisiert. Es sei eine „Selbstverständlichkeit“, dass alle Abgeordneten, die nicht krank seien, an der Abstimmung teilnehmen würden, kündigte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, beim TV-Sender „NTV“ mit. Dass Union und SPD, die nur eine Mehrheit von zwölf Sitzen haben, trotz der 20 Gegenstimmen in der Fraktionssitzung in die Abstimmung am Freitag gehen, empfindet sie als unverantwortlich. „So kann man das Land nicht regieren.“
Anders als beim Sondervermögen wollen die Grünen Schwarz-Rot dieses Mal keine Stimmen leihen. „Wir Grünen werden diesem Gesetz ganz sicher nicht zustimmen“, sagte der Sozialpolitiker Timon Dzienus und kritisierte CDU/CSU scharf. Diese würden keine Politik für die junge Generation machen. „Gerechtigkeit ist der Jungen Union und Friedrich Merz doch in Wahrheit vollkommen egal“, sagte er dem Tagesspiegel und griff den Kanzler als „realitätsfernen Bonzen“ an. Immerhin bei den Grünen scheinen im Rentenstreit die Rollen klar verteilt.
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