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Ein ukrainischer Soldat in einem Schützengraben zwischen den Städten Mykolaiv und Kherson am 12.06.2022.

© Genya Savilov/AFP

Tag 110 des russischen Angriffskriegs: Ringen um die südukrainische Stadt Kherson

Russland plant bereits eine Annektierung der Stadt Kherson. Doch Partisanen erschweren den Besatzern jedes weitere Vorgehen. Der Überblick am Abend.

Wie schwierig es nicht nur für Russland in diesem Krieg ist, in vom Feind kontrolliertes Gebiet vorzustoßen, zeigen die aktuellen Entwicklungen in der Südukraine. Dort hatten die russischen Truppen in den ersten Kriegstagen beträchtliche Gebiete erobert (siehe unsere Karte unten). In diesem Zuge hatte Moskau auch die strategisch wichtige Stadt Kherson besetzt. Neben Mariupol ist das die einzige größere Stadt, die Putin bisher erobern konnte. 

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Strategisch wichtig, weil sie auf dem Weg in Richtung Odessa liegt. Die Idee: Von Kherson aus könnten russische Truppen einen Angriff auf die bekannte Hafenstadt durchführen und - mit Unterstützung der russischen Schwarzmeer-Flotte - weiter die Küste bis in das pro-russische Transnistrien erobern und gleichzeitig die Ukraine vollständig vom Meerzugang abtrennen. So jedenfalls der Plan Moskaus. Es kam anders, die russischen Einheiten wurden ausgebremst.

Seit nun fast drei Monaten versuchen sie in der Stadt eine prorussische Verwaltung aufzubauen und das Gebiet der Südukraine für eine Annektierung durch Russland vorzubereiten. Um das zu verhindern, sind in der Stadt ukrainische Partisanen aktiv. Um das zu erschweren, wurde der Internet- und Telefonzugang von den Besatzern beschnitten. Aber auch Apotheken und Supermärkte sind seitdem weitgehend geschlossen, wie die "Washington Post" berichtet. 

Auch um diese Vorbereitungen zu stören, starteten ukrainische Truppen vor rund zwei Wochen einen Gegenstoß auf der rund 200 Kilometer langen Front, die bis weit nach Norden bis zur Stadt Nikopol reicht. Tatsächlich sind aber Erfolge, wie für die russischen Truppen im Donbass, hier zäh. In rund zwei Wochen haben die Ukrainer an manchen Stellen rund zehn Kilometer Gebiet zurückerobert.

Ukrainische Einheiten sollen sich aktuell noch rund 30 Minuten Fahrzeit vom Zentrums Kehrsons befinden. Der Grund für das langsame Vordringen: Die Ukraine hat Truppenteile aus dem Süden in den Donbass verlegt. Außerdem haben die Russen inzwischen ihre Verteidigunsglinien befestigt.  

Die Situation im Süden der Ukraine zeigt also, dass der Krieg - sollte er sich denn einmal zugunsten Kiews drehen und größere Gegenoffensiven möglich werden - noch lange dauern wird.

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Viele ukrainische Flüchtlinge fühlten sich in Deutschland nicht willkommen, sagt Botschafter Melnyk. Als Grund nennt er auch das Zögern bei Waffenlieferungen. Mehr hier.
  • „Baltische Staaten sind als nächstes dran“: Michail Kasjanow war einst Ministerpräsident unter Putin. Nun appelliert er an den Westen, die Ukraine dürfe den Krieg gegen Russland nicht verlieren. Mehr hier.
  • Die finnischen Alandinseln gelten seit dem 19. Jahrhundert als unabhängig. Bei einer russischen Invasion könnte das Landstück die Verteidigung Finnlands beeinträchtigen. Mehr hier.
  • Deutsches Unternehmen präsentiert neuen Panzer. Bei der Messe Eurosatory in Paris zeigen Hersteller Waffen, die sich auch die Ukraine wünscht. Rheinmetall stellt den Nachfolger des Leopard-Panzers vor. Mehr hier.
  • Waffen für 220 Millionen Euro, Helme und Schutzausrüstung: Die Bundesregierung hat aufgelistet, was sie bisher an Rüstungsausfuhr für die Ukraine erlaubt hat. Die Details lesen Sie hier.
  • Gaslieferung via Nord Stream 1 unterbrochen: Im Juli soll die Ostsee-Pipeline für 10 Tage stillgelegt werden. Entsprechend wird Deutschland dann weniger russisches Gas erhalten. Mehr hier.
  • Der Kreml hat einem Institut zufolge seit Beginn des Ukraine-Krieges fossile Brennstoffe für 93 Milliarden Euro verkauft. Die EU war wichtigster Abnehmer. Deutschland führte Energierohstoffe im Wert von 12 Milliarden Euro ein. Mehr hier.
  • Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind nach ukrainischen Angaben mehr als 12.000 Zivilisten umgekommen. Die meisten Opfer seien durch Explosionen getötet worden, sagte der Chef der ukrainischen Polizei, Ihor Klymenko. Mehr in unserem Newsblog.
  • Bei der Abwehr andauernder russischer Angriffe hat die ukrainische Armee eigenen Angaben zufolge inzwischen eine Front von etwa 2450 Kilometer zu verteidigen. „Davon werden an 1105 Kilometern aktive Kampfhandlungen geführt“, schrieb der Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj in der Nacht zum Montag bei Facebook nach einem Gespräch mit dem US-General Mark Milley.
  • Die italienische Zeitung "La Stampa" berichtet, dass Ministerpräsidenten Mario Draghi zusammen mit Kanzler Olaf Scholz sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag nach Kiew reisen wolle. Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigt dies auf Anfrage nicht.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Merz fordert nukleare Abschreckung: Braucht die EU einen starken atomaren Schutzschirm?

Europa solle sich von den USA unabhängiger machen, fordert der CDU-Vorsitzende. Vier Experten äußern sich zu den Vorstößen.

2. Kein bisschen Frieden: Erkennt Grünen-Mitbegründer Ströbele seine Partei noch wieder?

Die Entschiedenheit, mit der die Grünen Waffenlieferungen in die Ukraine befürworten, hat viele überrascht. Was sagt ihr Urvater Hans-Christian Ströbele dazu?

3. Kampf um die Ostukraine: Drei zentrale Gründe, warum Russland derzeit überlegen ist

Die russische Offensive kommt nicht mehr nur in Sjewjerodonezk voran, sondern im gesamten Donbass. Das Blatt wendet sich offensichtlich. Was bedeutet das für die Ukraine?

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