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Fall Kurnaz: Schily entlastet Steinmeier

Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily sieht die politische Verantwortung im Fall Murat Kurnaz bei sich statt im Kanzleramt. Alle anderen Ministerien hätten sich auf die Analysen des Innenministeriums verlassen.

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Berlin - Die zentrale Verantwortung bei der Gefährdungseinschätzung habe damals beim Bundesinnenministerium gelegen und er übernehme dafür die politische Verantwortung, sagte Schily. "Alle anderen mussten sich auf diese Analyse verlassen können." Auf Grundlage der Gefährdungseinschätzung sei man im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt zu dem Ergebnis gekommen, dass der Guantanamo-Häftling in die Türkei freigelassen werden sollte.

Die im Herbst 2002 gegen Kurnaz verhängte Einreisesperre wird von der Opposition als Grund dafür angesehen, dass die USA den Bremer Türken damals nicht freiließen, sondern weitere vier Jahre im Sondergefangenenlager festhielten. Steinmeier hatte in seiner damaligen Funktion als Kanzleramtschef die zuständigen Präsidentenrunden der Sicherheitsbehörden geleitet.

Gefährlichkeit von Kurnaz galt als belegt

Schily sagte, er sei damals persönlich nicht unmittelbar mit dem Fall befasst gewesen. Er sei aber der festen Überzeugung, dass sich alle Beteiligten "völlig korrekt" verhalten hätten. "Auf Seiten des Innenministeriums gab es nicht die geringste Veranlassung, die Gefährlichkeit Kurnaz' in Zweifel zu ziehen."

Als Beispiele nannte er die "überstürzte Abreise" von Kurnaz kurz nach dem 11. September 2001 nach Pakistan sowie die Aussage seiner Mutter, wonach er unter dem Einfluss eines Hasspredigers stehe. Die Angaben des Bremer Türken, er sei zu religiösen Studien nach Pakistan gereist, nannte Schily "unglaubwürdig". So fehlten Kurnaz etwa die dazu nötigen Arabisch-Kenntnisse.

Schily: Keine Kenntnisse über Angebot zur Freilassung von Kurnaz

Der frühere Minister betonte, das Auswärtige Amt habe sich stets bemüht, Hilfe zu leisten und die Freiheit von Kurnaz zu erreichen. Die Vorwürfe, dass die Einreisesperre Grund für die weitere Inhaftierung des Bremer Türken in Guantanamo war, wies er energisch zurück. "Ich lasse die Verantwortung für Guantanamo nicht der rot-grünen Regierung zuschieben", betonte er.

Er bleibe zudem "unverrückbar" bei seiner Überzeugung, "dass wir alles tun mussten, um die Menschen vor den massiven Gefahren des Terrorismus zu schützen". Dazu gehörten auch ausländerrechtliche Entscheidungen, wonach Personen mit terroristischem Umfeld aus Deutschland ferngehalten werden mussten. Von einem Angebot aus den USA zur Freilassung des Bremer Türken sei ihm nichts bekannt gewesen.

Kurnaz war im Oktober 2001 nach Pakistan geflogen. Ende November verhafteten ihn die pakistanischen Behörden und übergaben ihn dem US-Militär. Anfang 2002 wurde Kurnaz ins US-Sondergefängnis Guantanamo gebracht. Erst im August 2006 kam er nach Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) frei. Im Anschluss an die Vernehmung von Schily sollte am Donnerstagnachmittag Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor dem BND-Ausschuss aussagen. (tso/AFP/ddp)

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