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Jens Spahn, Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag

© dpa/Kay Nietfeld

Schlägt Spahns Stunde?: Im Rentenstreit kommt es nun auch auf den Unionsfraktionschef an

Der Kanzler will das Rentengesetz nicht ändern, in seiner eigenen Fraktion gibt es jedoch keine Mehrheit dafür. Welchen Plan verfolgt nun Fraktionschef Jens Spahn?

Stand:

Jens Spahn hat politisch viel einstecken müssen in den vergangenen Monaten. Am zweiten Tag seiner Amtszeit als Unionsfraktionschef gelang die Kanzlerwahl von Friedrich Merz erst im zweiten Anlauf. Später rückte die Maskenaffäre aus seiner Zeit als Gesundheitsminister wieder in den Fokus.

Im Sommer versagten ihm die Abgeordneten von CDU und CSU die Gefolgschaft – die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin kam nicht zustande.

Stetig arbeitet der 45-Jährige seither daran, seinen Status als Fraktionschef auf Bewährung wieder loszuwerden. Nach einer Klausurtagung Ende August rief er den „Geist von Würzburg“ aus, der nach einem schwierigen Start für eine bessere Zusammenarbeit mit der SPD stehen sollte. Und vor Kurzem gelang es, Einigkeit bei der Wehrdienstreform herzustellen, die zwischen Christ- und Sozialdemokraten lange umstritten war.

Nun bietet sich eine gute Gelegenheit, um zu glänzen. Mit seinem Auftritt bei der Jungen Union am Wochenende ist Kanzler Friedrich Merz das Rententhema vollends entglitten. Seinem Nein zu Änderungen am Haltelinien-Gesetzentwurf steht die Ansage der 18 Mitglieder der Jungen Gruppe im Bundestag gegenüber, in diesem Fall gegen den Entwurf stimmen zu wollen. Der natürliche Vermittler, nun, da das parlamentarische Verfahren bereits läuft, heißt Spahn.

Lieber Vermittler als Einpeitscher

Ja, Vermittler – denn der Münsterländer hat mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor, hundertprozentig die Linie des Kanzlers durchzupeitschen – etwa mit Drohungen hinsichtlich künftiger Karriereoptionen der jungen Abgeordneten.

Natürlich sind unter den 18 Jungen ein paar anfällige Kandidaten, von denen für eine Mehrheit nur sechs umgedreht werden müssten – Philipp Amthor etwa, der als parlamentarischer Staatssekretär im Digitalministerium gegen die eigene Regierung stimmen würde. Catarina dos Santos-Wintz wiederum arbeitet als parlamentarische Geschäftsführerin.

Ein wenig Druck wird Spahn schon ausüben. Das tat er bereits mit zwei Ansagen in der Sendung von Pinar Atalay beim Sender ntv am Montagabend: Erstens teile er das Ziel des Kanzlers, das Rentenpaket bis Weihnachten zu verabschieden. Zweitens sei ein Begleittext zum Gesetz, den Merz als Kompromiss vorgeschlagen hatte, „sicherlich ein wichtiger Baustein für die Lösung“.

Wir müssen uns alle bewegen, wenn es funktionieren soll.

Jens Spahn, Unionsfraktionschef

Der Parteinachwuchs beharrt jedoch darauf, dass das Gesetz selbst geändert werden muss und bloße Zusagen für die nähere Zukunft etwa in einem Entschließungsantrag nicht reichen. Am liebsten wäre ihm, das Gesetz würde hinausgezögert, bis eine große Reform beschlossen wird, basierend auf den für Mitte 2026 erwarteten Ergebnissen einer Expertenkommission.

Pascal Reddig, Vorsitzender der Jungen Gruppe der Union, die das Rentenpaket strikt ablehnt.

© imago/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

Allerdings will Spahn nicht nur in eine Richtung verhandeln. „Es wird jetzt auf allen Ebenen Gespräche geben, um eine gemeinsame Lösung zu finden“, heißt es aus Fraktionskreisen. „Am Ende muss ein Gesetz in beiden Regierungsfraktionen Zustimmung finden.“

Wie das gehen soll, weiß Spahn auch: „Wir müssen uns alle bewegen, wenn es funktionieren soll.“ Will heißen: Auch der Koalitionspartner SPD muss das tun – und der Kanzler ebenfalls.

Nun sieht Spahn eher die Chance als das Risiko

Auf Merz ist Spahn gerade nicht sehr gut zu sprechen. Schließlich waren im Sommer gleich zwei Gesetzentwürfe vom Kabinett verabschiedet worden, zu denen die größte Regierungsfraktion ihre Bedenken zwar vorbrachte, die aber nur teilweise berücksichtigt wurden. Beim Wehrdienst kostete es Spahns Fraktion viel Mühe, der SPD wenigstens ein paar Zugeständnisse abzuringen.

Spahn hatte deshalb wenig Lust darauf, dass Merz ein weiteres Problem bei ihm ablädt und sich selbst einen schlanken Fuß macht. Schließlich ist die Gefahr, wie im Fall von Brosius-Gersdorf am Ende eine politische Niederlage verantworten zu müssen, durchaus real.

Wohl auch deshalb erinnerte er vergangene Woche im Interview mit dem Tagesspiegel daran, dass die Junge Union für ihre Rentenkritik auch aus dem Kabinett „viel Zuspruch erfahren“ und Merz selbst eine gewisse Offenheit signalisiert habe: „Der Kanzler hat sehr deutlich gemacht, dass darüber noch zu reden sein wird in der Koalition.“

Allein wird Spahn das Problem nicht lösen können

Nun aber, nach der Eskalation des Rentenstreits am Wochenende, scheint Spahn die ihm zugedachte Rolle eher als Chance zu sehen. Das mag damit zu tun haben, dass es diesmal nicht er war, der den Fehler im Vorfeld gemacht hat. Anders als bei der Richterwahl kann er intern nun darauf verweisen, vor der Entscheidung im Kabinett auf die Stimmungslage in der Fraktion hingewiesen zu haben.

Pausenlos fühlt Spahn der Fraktion gerade den Puls. Die Gespräche mit den eigenen Leuten, am Wochenende auch mit der Jungen Gruppe, sind wichtig. Es soll ihm keiner mehr vorwerfen können, die Gefühlswelt der Fraktion falsch eingeschätzt zu haben – was aus seiner Sicht schon bei der Richterwahl nicht zutraf.

Allein aber wird Spahn das Problem auch nicht lösen können. Er ist nicht so vermessen, das zu glauben. Spahn weiß, dass es dort, wo unmittelbar Abmachungen im Koalitionsvertrag berührt sind, der Kanzler und die Parteispitzen nötig sind. Ihnen den Weg ebnen will er aber schon – und seinen Ruf als Fraktionschef auf Bewährung vergessen machen.

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