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Auf den Straßen der Türkei kommt es wie hier in Istanbul immer wieder zu brutalen Zusammenstößen.

© AFP

Zusammenstöße zwischen Kurden und Islamisten: Schon 35 Tote bei Straßenschlachten in der Türkei

Die Gesamtzahl der Opfer bei den Protesten in der Türkei ist mittlerweile auf 35 gestiegen. Um Kobane geht es bei den Kämpfen zwischen Kurden und Islamisten aber nur noch am Rande. Beobachter fühlen sich an die Situation vor dem Militärputsch 1980 erinnert.

Lange Döner-Messer, Knüppel und Gewehre: Als in der Nacht zum Freitag hunderte Kurden und Nationalisten sowie Islamisten in der südosttürkischen Stadt Gaziantep aufeinander losgingen, wurde die Auseinandersetzung mit tödlicher Gewalt ausgetragen. Vier Menschen starben – mit ihrem Tod erhöhte sich die Gesamtzahl der Opfer infolge der Unruhen im Land auf 35. Einige Beobachter fühlen sich an die Auseinandersetzungen der 1970er Jahre erinnert, die zum Militärputsch in der Türkei führten.

Bei der Gewaltwelle geht es inzwischen nur noch am Rande um die Lage in der syrischen Stadt Kobane, die von Kurden seit vier Wochen gegen die Belagerung durch die Dschihadisten-Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) verteidigt wird. In Kobane selbst gingen am Freitag die Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten auf Stellungen des IS weiter. Aus der Luft allein dürfte die Stadt allerdings auf Dauer nicht zu verteidigen sein. Nach Medienberichten kontrolliert der IS trotz der Luftschläge inzwischen fast 40 Prozent des Stadtgebietes.

Kurden kämpfen gegen Kurden

Die türkischen Truppen an der syrischen Grenze in unmittelbarer Nähe zu Kobane unternehmen weiterhin nichts, um den Kurden zu helfen, obwohl auch die UNO eine solche Unterstützung fordert. Der UN-Syrienbeauftragte Staffan di Mistura rief Ankara auf, kurdischen Kämpfern von der Türkei aus den Zutritt nach Kobane zu erlauben. Ankaras Haltung im Fall Kobane hatte Anfang der Woche viele Kurden auf die Straßen der türkischen Städte getrieben. Seitdem stehen sich häufig Anhänger der PKK-Rebellen und militante Islamisten gegenüber – und oft genug kämpfen dabei Kurden gegen Kurden. Die islamistische Hüda-Partei, deren Mitglieder sich in den vergangenen Tagen tödliche Kämpfe mit PKK-Unterstützern lieferten, ist insbesondere im Kurdengebiet stark und erwuchs aus der türkischen Hisbollah, die in den 1990er Jahren einen blutigen Feldzug gegen die PKK führte.

Die Hüda-Partei distanzierte sich zwar vom IS. Möglicherweise aber hat der IS in der Türkei mehr Anhänger als bisher angenommen. Nach einer Umfrage sehen zehn Prozent der Türken die Dschihadisten-Gruppe nicht als Terrororganisation. Auch die Universitäten der Türkei geraten in den Strudel der Gewalt. Hier bekämpfen sich vorwiegend linke und islamistische Studenten.

Erinnerungen an 1970er Jahre

Beobachter warnen vor einer noch gefährlicheren Eskalation. Die Kommentatorin Nazli Ilicak, eine ehemalige Parlamentsabgeordnete, die sich von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP abgewandt hat, vergleicht die Lage mit der Situation in den 1970er Jahren. Damals bekämpften sich linke und rechte Gruppen auf den Straßen, brachten die Türkei an den Rand des Bürgerkriegs, was schließlich den Putsch von 1980 auslöste. „Wir haben das alles schon einmal erlebt“, schrieb Ilicak in der Zeitung „Bugün“. Die Regierung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sieht die Sache ganz anders. Sie sucht die Schuldigen für die jüngste Eskalation nur in den Reihen der linken und kurdischen Opposition, denen sie Landesverrat vorwirft, weil sie Ankara in der Kobane-Frage kritisieren.

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