Nordkorea: Schurken von einst
Vor fast genau einem Jahr meldete Nordkorea seinen ersten erfolgreichen Atombombentest, der die internationale Gemeinschaft erschütterte. Jetzt gibt es einen Fahrplan aus der Krise. Doch was erreicht worden ist, hätte anders gelingen können.
Vor fast genau einem Jahr meldete Nordkorea seinen ersten erfolgreichen Atombombentest. Zwar war die von Messstationen erfasste Explosion vergleichsweise gering, so dass westliche Wissenschaftler eher von einem „Zischen“ als von einem Knall sprechen wollten. Doch sie reichte aus, die internationale Gemeinschaft tief zu erschüttern. Die Vorstellung, dass das diktatorische, menschenverachtende Regime des „lieben Führers“ Kim Jong Il die Bombe besitzt und – von notorischem Devisenmangel geplagt – diese möglicherweise meistbietend verscherbeln würde, war schlimmer, als selbst der traditionelle Verbündete China tolerieren konnte. Gerade angesichts dieser Ereignisse vor einem Jahr sind die Ergebnisse der vergangenen Tage ein echter Erfolg: Man redet wieder miteinander, und es gibt einen Fahrplan aus der Krise.
Im Rahmen der Sechsparteiengespräche zwischen Nordkorea, den USA, China, Südkorea, Japan und Russland hat man sich jetzt darauf geeinigt, dass die wichtige Atomanlage in Jongbjon bis zum 31. Dezember dieses Jahres stillgelegt wird – und zwar so, dass dieser Prozess nicht innerhalb kürzester Zeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Dieses Ergebnis ließ Peking zeitgleich mit dem zweiten koreanischen Gipfel überhaupt in Pjöngjang veröffentlichen, auf dem wiederum Südkoreas Präsident Roh und der Nordkoreaner Kim ein gemeinsames Abkommen unterzeichnet haben, in dem sie unter anderem die Arbeit an einem Friedensvertrag ankündigen. Formell befinden sich beide Staaten seit mehr als 60 Jahren im Kriegszustand.
Nur müssen den Worten jetzt Taten folgen, und das ist von jeher ein Problem in den Beziehungen zu Nordkorea. Von den Vereinbarungen des ersten Gipfels aus dem Jahr 2000 sind noch immer viele nicht eingelöst; was wiederum die Abrüstungspläne betrifft, muss alles einzeln und langwierig verhandelt werden. Es braucht also weiter Geduld und diplomatisches Geschick, die grundsätzliche Einigung der sechs Länder birgt noch keine Erfolgsgarantie. Dafür ähnelt das Februar-Abkommen stark bereits in den 90er Jahren verhandelten Verträgen, die dann aufgrund der Politik von George W. Bush spätestens 2002 obsolet geworden sind. Der Unterschied zu heute? Damals hatte Nordkorea noch keine Bombe.
Das ist die Tragik eines an sich positiven Ergebnisses, das auch ein Erfolg der Bush-Regierung ist: der zu hohe Preis, mit dem es erkauft wurde. Dass die Regierung in Washington gelernt hat, dass eine reine Konfrontationspolitik zwischen zwei Staaten meist im Debakel endet, war es nicht wert, dass Nordkorea nun eine Atommacht ist. Zumal sich Pjöngjangs Forderungen – Sicherheit vor einem US-Angriff und Energielieferungen –, auf die man jetzt bereit ist einzugehen, in den vergangenen zehn Jahren nicht signifikant geändert haben.
Was jetzt erreicht worden ist, hätte anders gelingen können. Angesichts des Konflikts mit dem Iran um dessen Atomprogramm wäre ein Trost, würden alle Beteiligten jetzt wenigstens aus dem Fall Nordkorea lernen. Nun sind Pjöngjang und Teheran im Detail nicht vergleichbar. Abgesehen davon, dass die Regime völlig unterschiedlich sind, ringt das eine Land sicherheits- wie wirtschaftspolitisch ums Überleben, das andere ist reich an Öl und will zur regionalen Großmacht aufsteigen; das eine hat die Bombe, das andere behauptet, diese nie zu wollen, und experimentiert derzeit „nur“ mit Urananreicherung. Doch immerhin können sich jetzt diejenigen in der US-Regierung gestärkt fühlen, die auf den Erfolg von diplomatischen Angeboten zusammen mit Druck durch Sanktionen und internationaler Ächtung setzen. Sie könnten zugleich Teheran überzeugen, dass sich Washington an gegebene Zusagen hält; auch wenn diese gegenüber einst geächteten Schurkenstaaten gemacht worden sind.
Schlimm wäre, wenn der Iran aus den Ereignissen auf der koreanischen Halbinsel den Schluss zöge, dass nur der von den USA als ebenbürtiger Verhandlungspartner angesehen wird, der die Bombe besitzt. Nordkorea jedenfalls will sein Atomwaffenpotenzial erst ganz zum Schluss aufgeben.
Ein Kommentar von Ruth Ciesinger