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Schwarz-Rot setzt auf CO₂-Speicher: Wird das klimaschädliche Emissionen nachhaltig senken?
Bis 2045 sollen Deutschlands CO₂-Emissionen bei null stehen. Union und SPD wollen deshalb rasch die technische Speicherung des Klimagases ermöglichen. Drei Experten bewerten die Pläne.
- Alexandra Decker
- Tobias Haas
- Milan Loose
Stand:
Die neue Bundesregierung hält offiziell am Ziel der Klimaneutralität für das Jahr 2045 fest. Das heißt, bis dahin müssen die deutschen Treibhausgasemissionen bei null liegen, beziehungsweise, es darf nur noch so viel CO₂ in die Atmosphäre geschickt werden, wie dieser anderweitig wieder entnommen wird. Das soll jetzt vor allem auch dank technischer Speicherung von CO₂ gelingen.
Bisher entfernen vor allem die „natürliche Senken“ das CO₂ aus der Atmosphäre. Also Wälder, wiedervernässte Moore, das Meer.
Nur geht die Verringerung der CO₂-Emissionen zu langsam voran, als dass in zwanzig Jahren die Aufnahmekapazitäten der Wälder und Moore für das ganze „Rest-CO₂“, beziehungsweise sehr schwer vermeidbare Emissionen zum Beispiel bei der Zementherstellung, reichen würden.
Außerdem sind die natürlichen Senken aufgrund von Erderwärmung und immer häufigeren Extremwetter infolge des Klimawandels selbst in einem immer mehr in einem schlechten Zustand.
Schwarz-Rot will deshalb jetzt, so steht es im Koalitionsvertrag, „umgehend ein Gesetzespaket beschließen, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht“.
CO₂ technisch aus der Atmosphäre filtern und an einem sicheren Ort speichern, kurz CCS, spielt auch schon in vielen Klimamodellen eine Rolle. Andererseits funktioniert die Technologie bisher noch in keinem industriellen Maßstab.
Wir haben deshalb in unserer Rubrik „3 auf 1“ drei Expert:innen gefragt, was sie von den Plänen der neuen Bundesregierung halten, beziehungsweise was sie erwarten, damit auch mittels CCS klimaschädliche Emissionen nachhaltig zu senken wären.
Alle Folgen von 3 auf 1 finden Sie hier.
Ohne negative Emissionen keine Kilmaneutralität
2024 wurde die 1,5-Grad-Marke erstmals überschritten. Die Weltgemeinschaft steuert auf Kippelemente im Erdklimasystem zu. Um Klimaneutralität zu erreichen, werden wir Negativemissionen – also CO₂-Entnahme sowie -speicherung – benötigen, um unvermeidbare Emissionen aus Industrie und Landwirtschaft auszugleichen.
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Permanente „technische“ CO₂-Entnahmen werden allerdings nur in begrenztem Umfang bereitstehen. Sie können „natürliche“ CO₂-Entnahme über Moore, Wälder oder Meere nicht im relevanten Maß ersetzen, aber sie ergänzen und müssen nach 2045 einen wichtigen Beitrag für Netto-Negativemissionen leisten. „Natürliche“ CO₂-Entnahme ist schon verfügbar und sollte national und global maximiert werden, da sie klimawandelbedingten Schäden vorbeugen und Biodiversität stärken kann.
Die Regierung sollte durch ein Gesamtkonzept notwendige Weichenstellungen setzen, die die Emissionsminderung aller Sektoren aber nicht verlangsamen darf. Nur wenn die Ziele weiterhin separat festgelegt bleiben, können sie ihren jeweiligen Beitrag leisten.
Kein Allheilmittel aber unverzichtbarer Baustein
Carbon Management ist zentral für Klimaneutralität in Industrien mit unvermeidbaren Emissionen wie Zement, Kalk oder Abfallverwertung. Allein durch CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) könnten hier jährlich 35 Mio. Tonnen CO₂ eingespart werden – fast ein Viertel der industriellen und über fünf Prozent aller deutschen CO₂-Emissionen.
Ohne CCS ist das Ziel Klimaneutralität 2045 nicht erreichbar. Deutschland braucht jetzt verlässliche politische Rahmenbedingungen und den schnellen Aufbau einer CCS-Infrastruktur.
Was oft übersehen wird: CCS ermöglicht auch klimafreundliche Produkte wie CO₂-freien Beton oder Kalk. Damit diese Technologien rechtzeitig wirken, braucht es klare Gesetze, Planungssicherheit und Investitionsanreize.
CCS ist kein Allheilmittel und ersetzt keine Emissionsvermeidung, ist aber neben anderen Maßnahmen ein unverzichtbarer Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Entscheidend sind jetzt politisches Tempo, branchenübergreifende Zusammenarbeit und ein enger Dialog mit der Industrie.
Die Kosten für CCS bleiben absehbar hoch
In 20 Jahren soll Deutschland klimaneutral sein. In nahezu allen Klimamodellierungen spielt die Speicherung von CO₂ hier eine bedeutende Rolle.
Voll auf CO₂-Speicher zu setzen, birgt dennoch erhebliche Risiken. CCS ist keine ausgereifte Technologie, die sich problemlos hochskalieren lässt. Sicher ist, dass die Kosten der Technologie hoch sind und auf absehbare Zeit höher als Preise für CO₂-Zertifikate bleiben werden.
Es besteht die Gefahr, dass nicht nachhaltige industrielle Produktionsverfahren fortgeschrieben werden. Dadurch kann es zu Verzögerungen bei der Elektrifizierung von Produktionsprozessen oder dem Umstieg auf Wasserstoff kommen.
Sowohl für CCS als auch andere Technologien wie grünem Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen gilt – es ist unsicher, ob diese in Zukunft in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen werden.
Für den sichersten Weg zur Klimaneutralität, nämlich durch Recycling und Suffizienz-Ansätze, klimaschädliche Produktionsprozesse einzudämmen, liefert der Koalitionsvertrag der Ampel keinerlei nennenswerte Impulse.
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