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Ein Mann, ein Wort – aber auch mal zwei, drei Wendungen mehr. Vom "Schlagabtausch" mit Horst Seehofer ist selbst in der CSU-Landesgruppe die Rede.

© dpa

Hartz IV: Seehofer wird zum Buhmann

Horst Seehofer schlägt acht Euro mehr im Monat für Hartz-IV-Empfänger vor. In der Koalition ist man deswegen mal wieder wütend auf den CSU-Chef.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, hat es am Donnerstag pflichtgemäß versucht. Union und FDP warf der Sozialdemokrat vor, sie würden aus wahltaktischen Gründen eine rasche Lösung bei der Hartz-IV-Reform verhindern wollen. „Schwarz-Gelb versucht offensichtlich, die Entscheidung bis zur Schließung der Wahllokale in Hamburg zu verzögern“, sagte Oppermann unter Hinweis auf das nächste Spitzengespräch von Koalition und Opposition, das ausgerechnet am Wahlabend in der sachsen-anhaltischen Landesvertretung in Berlin stattfinden soll.

Und in der Tat: Zieht man einmal Bilanz in der Hartz-Entwicklung der letzten zehn Tage, dann könnte man wirklich auf den Gedanken kommen, dass es den Koalitionsparteien ganz recht ist, wenn sich die Anhebung der Regelsätze für Langzeitarbeitslose in diesem an Wahltagen so dicht gepflasterten Frühling so lang wie möglich hinzieht. Schließlich werben derzeit nicht nur FDP-Wahlkämpfer mit dem Argument für sich, dass jeder Euro, den man bei Hartz zusätzlich ausgeben könne, zunächst einmal verdient werden müsse.

In Wahrheit jedoch wissen auch die Sozialdemokraten, dass die Hängepartie um das Hartz-Reformwerk weder ihnen noch dem Koalitionslager Pluspunkte bei den Wählern einbringt. „Da draußen“, sagt einer von ihnen, „fragt doch längst keiner mehr, wer schuld ist an dem Desaster.“ Erst konnten sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die SPD–Verhandlungsführerin Manuela Schwesig nicht einigen. Jetzt wollen die Koalitionsfraktionen und die Regierung den Kompromissvorschlag der Bundesländer Bayern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz nicht akzeptieren. Und schon winken in der Unionsfraktion welche ab. Selbst die Verhandlungsrunde am Sonntag, sagen sie, „wird scheitern“.

Wer jetzt Schuld ist, daran lässt zumindest die Koalition keinen Zweifel: Horst Seehofer. Der verteidigte seinen Kompromissvorschlag einer Anhebung der Regelsätze um acht statt um fünf Euro zwar am Donnerstag noch einmal. Überzeugt sei er, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“, „dass es in der Sache und gemessen an den finanziellen Größenordnungen der richtige Weg ist“. Ansonsten allerdings sprang ihm niemand mehr aus dem eigenen Lager bei. Selbst Wolfgang Böhmer, der CDU-Landeschef, der diese Woche mit Seehofer und SPD-Ministerpräsident Kurt Beck den Acht-Euro-Deal abgeschlossen hatte, war auf Tauchstation gegangen.

In der CSU-Landesgruppe im Bundestag war derweil offen vom „nächsten Schlagabtausch“ mit dem eigenen Parteichef die Rede. Schon wieder habe sich Seehofer in einen bayerischen Ministerpräsidenten und ein Mitglied der schwarz-gelben Koalition aufgespalten - um sich dann für die bequemere Rolle zu entscheiden. „Keinen Spielraum“ will die CSU geben, wenn es um die Hartz-Regelsätze geht. Und auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner betonte, es sei klar, dass „wir keinen Kuhhandel der Länder zulasten der Steuerzahler eingehen“.

Wie allerdings ein Kompromiss aussehen soll, dem Bund und Länder, Koalition und Opposition zustimmen können, und vor allem, wer diesen Kompromiss wann aushandeln soll: Auf diese Frage konnte man am Donnerstag nur Achselzucken ernten. Gespräche würden zwar geführt, auch jetzt schon. Und vielleicht werde ja auch noch vor dem Sonntag eine Lösung gefunden. Aber sicher ist das alles nicht. Im parlamentarischen Verfahren ist der nächste Termin der kommende Dienstag.

An diesem Tag trifft sich der Vermittlungsausschuss erneut, um darüber zu befinden, ob ein Vermittlungsergebnis vorliegt. Werden sich die Unterhändler am Sonntagabend nicht einig, steht den Beteiligten zwar ein weiteres Vermittlungsverfahren offen. Vor einer solchen Blamage jedoch schrecken im Augenblick alle Seiten zurück. „Das könnten wir niemandem mehr erklären“, sagt einer aus der Unionsfraktion kleinlaut.

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