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Olaf Scholz (SPD) ist Kanzlerkandidat der SPD.

© Kay Nietfeld/dpa

Olaf Scholz vor dem Wirecard-Ausschuss: Sein Name ist Hase, er weiß von nichts

Finanzminister Scholz liefert im Wirecard-Untersuchungsausschuss ein Beispiel dafür, wie Politiker ihr Tun vernebeln können – weil man sie lässt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Einer der bis heute einflussreichsten Juristen aus dem 19. Jahrhundert dürfte Karl Victor Hase aus Jena gewesen sein. Das liegt weniger am fachlichen Output, der gering war, denn Hase starb früh. Eher war es ein Auftritt vor Gericht noch in seiner Studienzeit, der bis heute viele Auftritte ähnlichen Charakters prägt. Auftritte, bei denen jemand sagen soll, was er weiß, aber so tut, als habe er keine Ahnung: „Meine Name ist Hase, ich weiß von nichts“.

Hases bis heute vorbildlich wirkende Leistung konzentriert sich in der Pointe, etwas Offenkundiges wie seinen Namen in einem Atemzug mit der Ansage verbunden zu haben, dass eine mit Spannung erwartete gerichtliche Einvernahme von vornherein ergebnislos verlaufen wird. Detailwissen, wo es unwichtig ist, Unwissen, wo es wichtig wird.

Ähnlich geht es in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu, deren Regeln sich an der Strafprozessordnung orientieren. Um glaubwürdig zu erscheinen und bei der Aufklärung hilfreich zu wirken, memorieren Zeugen manches erstaunlich präzise, was dann aber wenig Erkenntnis bringt. Während sie sich nur dunkel erinnern, wenn Relevantes erfragt werden soll.

In der Tendenz hasenhaft soll nach übereinstimmenden Berichten auch der Auftritt von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vor dem Wirecard-Ausschuss abgelaufen sein. Zum Fallstrick wird ihm das nicht, denn in dem Skandal um den Betrugskonzern hängen alle mit drin, die Regierung, Berater, Aufsichtsbehörden, Wirtschaftsprüfer. Es war im Prinzip der Enkeltrick, vor dem die Polizei immer warnt: Vertraue mir und gib mir Geld.

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Es sollte jedoch aufmerken lassen, dass auch hier wieder eine erhebliche Rolle spielt, wie Amtsträger in amtlichen Angelegenheiten kommunizieren. Im Fall Scholz tauchten E-Mails auf, die dieser von einem privaten Account versandt hatte. Hatte er sie dem Ausschuss vorenthalten wollen?

Ursula von der Leyen jonglierte mit Handys

Ähnliche Fragen drängten sich im U-Ausschuss zur Pkw-Maut auf. Hier wurde Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgeworfen, Ministerpost über einen Parlamentsaccount gelenkt zu haben. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Unterlagen sind von vornherein den Zugriffsregeln entzogen oder es wird schwer, im Nachhinein an sie heranzukommen. Beispielhaft waren auch die verschiedenen mobilen Endgeräte, mit denen die damalige Verteidungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) durch ihr Tagesgeschäft jonglierte. Im U-Ausschuss zur Berateraffäre waren dann Daten gelöscht oder verschwunden.

Theoretisch müsste die Digitalisierung zu einer besseren Dokumentation und damit besseren Kontrollierbarkeit der Regierung führen. Doch wie es aussieht, ist das Gegenteil der Fall. Die Vielfalt scheint es zu rechtfertigen, den Überblick zu verlieren. Jeder macht, was er will; man sendet, wo sich ein Kanal auftut. Regeln gibt es wenig und wenn, sind sie alt. Das Interesse, dies zu ändern, ist gering. Das Hase-Prinzip ist zu mächtig.

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