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Gerade Kinder - hier Flüchtlinge aus Malawi am Frankfurter Flughafen - sind nach dem deutschen Gesetz nach Ansicht von Menschenrechtlern massiv benachteiligt.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Selbst zum Leben zu wenig

Experten halten die Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland für einen Verstoß gegen die Menschenrechte - heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht.

Die aktuelle Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland ist nach Meinung des Deutschen Instituts für Menschenrechte menschenrechtswidrig. Wie aus der Stellungnahme des Instituts für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hervorgeht, die dem Tagesspiegel vorliegt, sind die Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) derart niedrig, dass man zweifeln dürfe, ob die seit 1993 unveränderten Beträge „nicht bereits zur Gewährleistung der physischen Existenz unzureichend sind“, schreiben die Menschenrechtsexpertinnen Petra Follmar-Otto und Claudia Mahler. Die Karlsruher Richter hatten ihr Institut um eine Stellungnahme gebeten. Das höchste Gericht verhandelt am heutigen Mittwoch – dem Internationalen Tag des Flüchtlings – über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aus den frühen 90ern, nachdem zwei Sozialgerichte sich an Karlsruhe gewandt hatten.

Das Menschenrechtsinstitut kritisiert neben der geringen Höhe der Zuwendungen – die nicht nur für Asylbewerber, sondern auch für Bürgerkriegsflüchtlinge und in Deutschland nur „Geduldete“ gelten – auch das sogenannte „Sachleistungsprinzip“ als Verstoß gegen Menschenrechte. Das AsylbLG schreibt vor, vorrangig kein Geld, sondern etwa Lebensmittelpakete an die Flüchtlinge zu geben. Damit verhindere es aber, dass sie an Lebensmitteln sparten, um dafür zum Beispiel ihre Kinder mit Lesestoff zu versorgen. „Dies widerspricht sowohl den menschenrechtlichen als auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben eines eigenverantwortlichen Wirtschaftens.“ Ohnehin sei es ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention, dass das Gesetz auch Kindern die allgemeine Grundsicherung verweigere. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die ebenfalls in Karlsruhe sprechen wird, äußerte in allen drei Punkten ähnliche Kritik. Die Grünen wiederholten ihre Forderung, das Asylbewerberleistungsgesetz als Sondersozialhilferecht abzuschaffen und warfen der Bundesregierung Hinhaltetaktik vor. Schon vor zwei Jahren habe sie die Verfassungswidrigkeit der Zahlungen eingestanden. Geschehen sei aber nichts.

Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1993. Es folgte der Einschränkung des Rechts auf Asyl durch die Grundgesetzänderung. Während der Gesetzgeber die Sozialhilfe, später das Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) immer wieder den steigenden Lebenshaltungskosten anpasste, blieben die Leistungen für Asylbewerber in den 19 Jahren seither unverändert, obwohl – auch darauf weist das Institut für Menschenrechte hin – der Verbraucherpreisindex zugleich um 30 Prozent stieg. Die 133 Euro monatlich für unter Siebenjährige entsprechen aktuell knapp dem halben Hartz-IV-Satz. Alleinstehende erhalten 225 Euro für ihren Lebensunterhalt, Familienangehörige 199 Euro – ein Drittel weniger als Hartz IV. mit KNA

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