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Der ukrainische Präsident Selenskyj bei einer militärischen Lagebesprechung in Saporischschja.

© AFP/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/Uncredited

Update

Krieg in der Ukraine: Selenskyj kündigt „Buch der Folterer“ an, Tote in Charkiw und Mykolajiw – der Überblick

Nach 105 Tagen Krieg will die Ukraine ein Infosystem zu Kriegsverbrechen starten. Derweil dauern im Donbass die Gefechte mit den russischen Angreifern an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein neues Informationssystem zu Kriegsverbrechen angekündigt. In der kommenden Woche solle ein „Buch der Folterer“ gestartet werden, in dem bestätigte Informationen über Kriegsverbrecher und Kriminelle der russischen Streitkräfte gesammelt werden sollen, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Dienstag.

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„Ich habe wiederholt betont, dass sie alle zur Rechenschaft gezogen werden. Und wir gehen das Schritt für Schritt an“, so der Präsident. Der Mittwoch ist für die Ukraine der 105. Tag des Krieges.

Bei den gesammelten Informationen gehe es um „spezifische Fakten über spezifische Menschen, die spezifische Gewaltverbrechen gegen Ukrainer begangen haben“, führte Selenskyj aus.

Es gehe darum, nicht nur die direkten Täter wie etwa die Soldaten zur Verantwortung zu ziehen, sondern auch deren Befehlshaber, die die Taten ermöglicht hätten - „in Butscha, in Mariupol, in all unseren Städten“. Sie alle sollten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Selenskyj.

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Wo wird derzeit gekämpft?

Derweil gehen die erbitterten Kämpfe in der Ostukraine weiter. Trotz ihrer Überlegenheit haben die russischen Truppen nach Darstellung von Selenskyj bisher keinen Durchbruch erzielt. „Die Situation an der Front hat in den letzten 24 Stunden keine wesentlichen Änderungen erfahren“, sagte der Präsident. „Die äußerst heldenhafte Verteidigung des Donbass wird fortgesetzt.“

Selenskyj nannte die Städte Sjewjerodonezk, Lyssytschansk und Popasna als Schwerpunkte. „Es ist zu spüren, dass die Besatzer nicht geglaubt haben, dass der Widerstand so stark sein wird“, sagte der Präsident.

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Ähnlich äußerte sich der ukrainische Präsidentenberater Olexander Arestowytsch. Die ukrainische Artillerie habe gute Arbeit geleistet, sagte er. Zugleich räumte Arestowytsch auch Probleme ein. „Auf eine Gegenoffensive können wir lange warten“, sagte er. Einige Kämpfer würden dem Druck nicht standhalten. Zudem sei nicht klar, wann und in welchem Umfang neue Waffenlieferungen eintreffen.

Tote bei Angriffen im Gebiet Charkiw

Im ostukrainischen Gebiet Charkiw wurden nach Angaben von Gouverneur Oleh Synjehubow mindestens drei Menschen durch russischen Beschuss getötet und sechs weitere verletzt. Abends sei eine weitere Person bei Angriffen getötet worden, hieß es.

In der Stadt Baschtanka im südukrainischen Gebiet Mykolajiw wurden nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft bei russischen Raketenangriffen zwei Menschen getötet und drei verletzt. In der Gebietshauptstadt Mykolajiw soll es heftige Detonationen gegeben haben. Auch die prorussischen Separatisten meldeten Opfer. Bei ukrainischem Beschuss sei im Ort Perwomajsk nahe der Frontlinie ein Mann getötet worden.

Russische Besatzungskräfte planen Referenden in Südukraine

In den von russischen Truppen besetzten Gebieten planen die neuen Machthaber offenbar den Beitritt zu Russland. Die Vorbereitungen für ein Referendum hätten begonnen, sagte die prorussische Statthalterin in der Stadt Melitopol, Halyna Danyltschenko.

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Nach Angaben eines russischen Abgeordneten war der Vizechef der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko, zu Gesprächen sowohl in Melitopol, der zweitgrößten Stadt des Gebiets Saporischschja, als auch in Cherson, der Hauptstadt des angrenzenden gleichnamigen Gebiets. Nach ukrainischen Informationen soll in Cherson bis Herbst ein Referendum über eine Angliederung an Russland vorbereitet werden.

Gefangene Azovstal-Kämpfer wohl nach Russland gebracht

Mehr als 1000 ukrainische Kriegsgefangene aus dem eroberten Stahlwerk Azovstal in Mariupol sind offenbar mittlerweile nach Russland gebracht worden. Die russischen Strafverfolgungsbehörden beschäftigten sich derzeit mit ihnen, meldete die russische Staatsagentur Tass in der Nacht zum Mittwoch unter Berufung auf Sicherheitskreise. Unter ihnen könnten mehr als 100 ausländische „Söldner“ sein.

Das Stahlwerk Azovstal Anfang Mai, als es noch stark umkämpft war.

© Uncredited/AP/dpa

Im Mariupoler Werk Azovstal, der letzten Bastion der ukrainischen Verteidiger, hatten sich Ende Mai nach wochenlangem Kampf insgesamt mehr als 2400 ukrainische Kämpfer ergeben. Die ukrainische Führung befürchtet, dass die Kriegsgefangenen gefoltert und ermordet werden.

Altkanzlerin Merkel will mehr Abschreckung gegen Russland

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plädiert für eine Verstärkung der militärischen Abschreckung gegenüber Russland. „Das ist die einzige Sprache, die Putin versteht“, sagte Merkel bei einer Veranstaltung in Berlin.

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) antwortet im Berliner Ensemble auf Fragen des Journalisten Alexander Osang.

© Fabian Sommer/dpa

Verantwortung für ausgebliebene Investitionen in die Bundeswehr wies sie zurück - und indirekt dem früheren Koalitionspartner SPD zu. „Ich bin jetzt heilfroh, dass wir nun uns endlich auch entscheiden, nachdem die ganze Welt bewaffnete Drohnen hat, dass wir auch welche kaufen. Und es ist auch nicht an mir gescheitert, dass bestimmte andere Dinge nicht stattfinden konnten“, sagte Merkel. „Es war ein sehr zähes Ringen, überhaupt in die militärische Abschreckung zu investieren.“

Russisch-amerikanische Beziehungen kaum noch existent

Der bilaterale Dialog zwischen Moskau und Washington ist nach russischen Angaben fast zum Erliegen gekommen. „Vertrauen wurde untergraben, die Zusammenarbeit zerfällt selbst in Feldern mit beidseitigem Interesse, die Kommunikation zwischen den Seiten ist gering und vornehmlich reduziert auf eine Debatte technischer Probleme“, sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, dem russischen Staatsfernsehen.

Allerdings würden die Verteidigungsminister und Generalstabschefs noch „gelegentliche Telefongespräche“ halten - diese seien äußerst wichtig, um eine direkte militärische Konfrontation zu verhindern.

Das bringt der Tag

Der russische Außenminister Sergej Lawrow will in Ankara seinen türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu treffen. Dabei soll es auch um die Freigabe ukrainischer Getreidelieferungen gehen. Die Ukraine gehört zu den größten Weizenexporteuren weltweit. Russland blockiert aber im Zuge seines Angriffskrieges ukrainische Häfen. Experten und Politiker warnen vor einer globalen Nahrungsmittelkrise.

Unter italienischem Vorsitz findet zudem an diesem Mittwoch eine internationale Online-Konferenz zur Ernährungssicherheit statt. Darüber hinaus ist der EU-Kommissar Janez Lenarcic zu Besuch in der Ukraine. (dpa)

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