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Nicolic

© dpa

Präsidentschaftswahl: Serbien am Scheidepunkt

Das Volk muss sich entscheiden: Geht Serbien weiter den Weg in die EU oder folgt es dem knappen Gewinner des ersten Durchgangs? Nicolic verkündete gestern: "Russland ist uns näher."

Die Präsidentschaftswahl in Serbien wird am 3. Februar in einer zweiten Runde entschieden. Aus dem ersten Durchgang ging gestern der Euroskeptiker und Nato-Gegner Tomislav Nikolic als Sieger hervor. Der Chef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) erhielt vorläufigen Teilergebnissen zufolge 38,2 Prozent. Er tritt in der Stichwahl gegen den prowestlichen Amtsinhaber Boris Tadic an. Dieser blieb mit 35,1 Prozent ebenfalls unter der für einen Sieg im ersten Durchgang erforderlichen absoluten Mehrheit.    "Ab Morgen früh beginnen wir unsere Kampagne für die zweite, entscheidende  Runde", sagte Nikolic gestern Abend nach Bekanntgabe der Teilergebnisse in der SRS-Zentrale in Belgrad. Er zeigte sich überzeugt, dass Serbien einen Wechsel wolle und sein Sieg zum Greifen nah sei. Bei der Stimmabgabe hatte Nikolic die Bedeutung der Beziehungen Serbiens zu Moskau unterstrichen. "Russland ist uns näher", sagte er.    Tadic forderte die Wähler nach der Wahl auf, im zweiten Durchgang dafür zu sorgen, dass Serbien auf dem Weg in die Europäische Union und in die westliche Militärallianz bleibe. Diesen Weg habe das Land im Jahr 2000 nach dem Sturz von Präsident Slobodan Milosevic eingeschlagen. Tadic und seine Demokatische Partei (DS) wollen Serbien möglichst schnell in die EU führen. Der amtierende Staatschef äußerte sich zuversichtlich, Nikolic am 3. Februar schlagen zu können.

Kopf-an-Kopf-Rennen
  
Beoabachter erwarten, dass es am übernächsten Sonntag zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nikolic und Tadic kommen wird. Von großer Bedeutung dürfte sein, für wessen Wahl sich Regierungschef Vojislav Kostunica aussprechen wird. Im ersten Durchgang hatte Kostunica trotz seiner Zugehörigkeit zu Tadics Koalition den Nationalisten Velimir Ilic von der Partei Neues Serbien (NS) unterstützt.
  
Tadic und Nikolic standen sich bereits bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2004 in einer Stichwahl gegenüber. Damals hatte sich Tadic knapp gegen Nikolic durchgesetzt. Dessen Serbische Radikale Partei ist die stärkste Kraft im Belgrader Parlament.
  
Beide Präsidentschaftskandidaten lehnen eine Loslösung des Kosovo von Serbien ab. Noch für das Frühjahr wird mit einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung der zu Serbien gehörenden Provinz gerechnet, die seit dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien 1999 unter UN-Verwaltung steht. Die USA und mehrere EU-Staaten haben bereits angekündigt, dass sie einen künftigen Mini-Staat Kosovo anerkennen werden. Serbiens Verbündeter Russland ist strikt gegen die Unabhängigkeit des Kosovo.

90 Prozent Albaner im Kosovo
  
Laut der Nachrichtenagentur Tanjug waren in den von Serben bewohnten Enklaven im Kosovo am Sonntag 277 Wahllokale geöffnet. Die Bevölkerung im Kosovo ist zu weit mehr als 90 Prozent albanischstämmig. Nach dem Ende des Luftkriegs der Nato unter Beteiligung Deutschlands im Frühjahr 1999 waren die Serben und andere Minderheiten der Verfolgung der unter Milosevic drangsalierten Kosovo-Albaner ausgesetzt. Der Ministerpräsident des Kosovo und ehemalige Kommandeur der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), Hashim Thaci, sagte, der Ausgang der Wahl in Serbien werde an der baldigen Unabhängigkeit nichts ändern.
  
Laut dem Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie (CESID) beteiligten sich 60,6 Prozent der 6,7 Millionen stimmberechtigten Serben an dem Urnengang - die höchste Wahlbeteiligung seit 2000. Obwohl das Präsidentenamt in Serbien vor allem symbolischen Charakter hat, gilt die Wahl als Richtungsentscheidung zwischen EU und Nato einerseits und einer stärkeren Orientierung an Russland andererseits. (mpr/AFP)

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