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Soldaten des Heimatschutzregiments 5 der Bundeswehr stehen bei einem öffentlichen Regimentsappell in der Sporthalle.

© dpa/Michael Reichel

Update

„Sicherheitspolitisch geboten“: Auch der Chef des Verteidigungs­ausschusses rückt von Losverfahren für Musterung ab

Noch vor zwei Wochen hatte sich der CDU-Wehrexperte Thomas Röwekamp hinter die in der Koalition ausgehandelte Lösung gestellt. Nun mehren sich die Stimmen, die wieder eine Musterung ganzer Jahrgänge fordern.

Stand:

Die schwarz-rote Koalition ringt weiter um die konkrete Ausgestaltung des geplanten Wehrdienstgesetzes. Fachpolitiker von Union und SPD hatten sich auf Änderungen am Gesetzentwurf verständigt und mit einem Losverfahren eine Art Pflichtelement in die Auswahl von Wehrdienstleistenden eingebaut.

Gegen das Losverfahren stellte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius, weshalb der Kompromiss scheiterte. Auch Wehrexperten zeigen sich gegenüber dem Losverfahren skeptisch.

Nach den von Generalinspekteur Carsten Breuer geäußerten Bedenken gegen das Losverfahren und seinem Plädoyer für eine allgemeine Musterung rückt nun auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und CDU-Wehrexperte Thomas Röwekamp von dem Vorschlag ab. „Ich teile die Einschätzung des Generalinspekteurs: Eine einheitliche Musterung aller jungen Männer ist ein notwendiger Schritt, um im Krisenfall schnell und zielgerichtet handeln zu können“, sagte Röwekamp der „Augsburger Allgemeinen“.

Aus militärischer Sicht ist es entscheidend, dass jeweils der gesamte Jahrgang gemustert wird.

Carsten Breuer, Generalinspekteur

„Angesichts der verschärften Sicherheitslage in Europa müssen wir sicherstellen, dass die Bundeswehr über verlässliche Daten und Strukturen verfügt“, sagte Röwekamp. „Eine allgemeine Musterung ist daher nicht nur sinnvoll, sondern sicherheitspolitisch geboten.“

Der CDU-Politiker warnte: „Neben der reinen Erfassung müssen wir jedoch auch den personellen Aufwuchs in der aktiven Truppe von derzeit 180.000 auf 260.000 Soldaten sicherstellen – und dazu erforderlichenfalls auch auf die Wehrpflicht zurückgreifen können“, fuhr Röwekamp fort.

Zuvor hatte sich Breuer, der oberste Soldat der Bundeswehr, entschieden gegen ein Losverfahren bei der Musterung ausgesprochen. „Aus militärischer Sicht ist es entscheidend, dass jeweils der gesamte Jahrgang gemustert wird.“

Mitte Oktober hatte die Union noch signalisiert, trotz des Widerstands vom Koalitionspartner und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an dem geplanten Verfahren festhalten zu wollen. „Ich sehe nicht so, dass das Losverfahren aus dem Rennen ist“, sagte Röwekamp. Unions-Verteidigungsexperte Thomas Erndl (CSU) ergänzte: „Da schauen wir mal, das braucht vielleicht bei manchen etwas, bis die Vorteile verstanden werden.“

Pistorius selbst zeigte sich weiter nicht überzeugt und sprach von einem „faulen Kompromiss“. Der Weg über ein Losverfahren, falls sich nicht genügend Rekruten fänden, koste zu viel Zeit. Zudem wäre der Verzicht auf die eine umfassende Musterung ein Fehler: „Es geht um die flächendeckende Musterung, die ich einfach brauche für die Einsatzfähigkeit und für die Fähigkeit, im Ernstfall einzuberufen.“

Hintergrund ist, dass die Bundeswehr auch wegen der Nato-Vorgaben angesichts der Bedrohung aus Russland eine Stärke von 460.000 Soldaten anstrebt. Dies sind fast 200.000 mehr als die derzeit 182.000 Männer und Frauen in Uniform. 200.000 davon sollen Reservisten sein. Diese sollen vor allem über Wehrdienstleistende gewonnen werden. 

Im Jahr 2011 war in Deutschland die im Grundgesetz für Männer verankerte Wehrpflicht ausgesetzt worden. Das kam de facto auch der Abschaffung des Zivildienstes gleich. Das Gesetz kann aber durch den Bundestag wieder reaktiviert werden.

Studie sieht genug Freiwillige für die Bundeswehr

Rechtswissenschaftler sehen auf Grundlage einer gerade veröffentlichen Umfrage keine Notwendigkeit für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Über ein freiwilliges Modell lasse sich auch ohne Zwang eine Verstärkung der Bundeswehr erreichen, erklärte der Jurist Peter von der Universität Hamburg, wie die Agentur KNA berichtete. „Zumindest empirisch besteht daher keine Notwendigkeit zur Wiedereinführung einer Wehrpflicht“, so Wetzels.

Den Uni-Angaben zufolge wurden im Juli 2.279 Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren zu Wehrpflicht und Verteidigungsbereitschaft repräsentativ befragt. 18 Prozent aller Teilnehmer mit deutscher Staatsbürgerschaft, die bislang weder Militär- noch Zivildienst geleistet haben, bekundeten demnach Interesse an einem freiwilligen sechsmonatigen Grundwehrdienst. Bei den 18- bis 29-Jährigen habe der Anteil mit 19 Prozent etwas höher gelegen.

Konservativ geschätzt seien mindestens 175.000 junge Männer und 70.000 Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren in der Bevölkerung zu finden, die für einen Dienst in der Bundeswehr auf freiwilliger Basis gewonnen werden könnten, sagte Wetzels. 

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