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Politik: „So etwas von Schily ist wirklich bitter“

Der Innenminister will in EU-Flüchtlingslagern keinen Rechtsschutz gewähren – die Grünen sind empört

Von Matthias Meisner

Berlin - In der Diskussion um EU-Flüchtlingslager für Asylsuchende in Nordafrika hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Grünen erneut herausgefordert. In einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ präzisierte er seinen Vorschlag und betonte, in den Lagern, die er als „Aufnahmeeinrichtungen“ bezeichnet, sei ein Rechtsschutz verzichtbar. Schily sagte zu den Lagern, die in Libyen oder Tunesien eingerichtet werden könnten: „Eine gerichtliche Kontrolle muss es nicht zwangsläufig geben. Wir sind außerhalb des Rechtsgebietes der EU.“ Vor allem die Grünen reagierten empört. Grünen-Chefin Angelika Beer sagte: „Den Rechtsanspruch auf Überprüfung der Fluchtgründe möchte ich gewahrt sehen.“ Hinter vorgehaltener Hand hieß es in der Grünen-Bundestagsfraktion, das Vorgehen des Innenministers sei „zum Kotzen“. Kritik kam auch von FDP und PDS. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Rot-Grün auf, die Debatte über Auffanglager wegen schwerer rechtsstaatlicher Mängel zu beenden.

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Christa Nickels, sagte dem Tagesspiegel, Schily mache die europäischen Menschenrechtsgrundsätze und das Grundgesetz zu einem „potemkinschen Dorf“ und einer „schönen Fassade“. Formal würden Asylbewerbern Rechte eingeräumt, „faktisch aber sollen sie Makulatur werden“. Schily stelle das Flüchtlingsrecht „wie eine schöne Kristallvase in den Grundwerteschrank, doch anfangen sollen die Flüchtlinge nichts damit. Es ist wirklich bitter, so etwas vom Verfassungsminister zu hören“. Europa werde, wenn die Pläne umgesetzt werden, „komplett abgeschottet“. Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: „Schily entledigt sich der Möglichkeit, den Menschen, die in Not sind, in die Augen zu blicken.“ Schily buhle „am rechten Rand“ um Zustimmung, in der Tradition von Unions-Hardlinern. „Das sollte nicht die Rolle eines rot-grünen Innenministers sein.“ Für treffend hielt Nickels die Bemerkung Schilys, wonach die „Abschottung unserer Märkte“ ein „wirkliches Hindernis“ für eine vernünftige Entwicklung in Afrika sei. Sie hielt ihm aber entgegen, dass eine vernünftige Afrikapolitik derzeit „skandalös unterfinanziert“ sei.

Entsprechend dem Plan Schilys sollen Flüchtlinge mit einem anerkannten Asylgrund prioritär in einer heimatnahen Region untergebracht werden, in einem europäischen Staat nur dann, wenn dieser sich zur Aufnahme freiwillig bereit erklärt. Einen ähnlichen Vorschlag hatte zuvor schon der britische Premier Tony Blair gemacht. Nach Darstellung von Nickels hatte das Bundesinnenministerium damals noch erhebliche Bedenken, „nicht nur hinsichtlich der Finanzierbarkeit und politischen Opportunität, sondern auch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention“. Aus dem UN-Flüchtlingshilfswerk hieß es, der Schutz der Genfer Konvention gelte auch für Flüchtlinge auf hoher See.

Direkte Angriffe gegen die Grünen und Außenminister Joschka Fischer vermied Schily am Montag. Noch am Wochenende hatte der Ex-Grüne erklärt, seine „grünen Freunde“ würden sich „gewaltig aufplustern“. Fischer hatte Schily zuvor vorgeworfen, er habe seinen Vorschlag anscheinend „unter humanitären Gesichtspunkten nicht zu Ende gedacht“.

Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Montag, Schilys Anregungen seien „ein wichtiger Anstoß, das sieht auch der Kanzler so“. Schily und Fischer würden darüber nach dem Urlaub wohl noch intensiv reden. Beide Minister seien vermutlich gar nicht so weit auseinander, versicherte der Regierungssprecher.

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