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Söders Rückzug an den „Stammtisch der Bayern“: Wie der CSU-Chef in Passau mit dem Bedeutungsverlust kämpft
In Berlin wird über hunderte Milliarden Euro verhandelt. Doch CSU-Chef Markus Söder tritt lieber beim Politischen Aschermittwoch auf. Dort fremdelt er mit seiner neuen Rolle.
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Erst hört man nur das Klirren der Bierkrüge, doch je länger die Rede von Markus Söder dauert, desto lauter wird der Geräuschpegel in der Dreiländerhalle in Passau. Dem CSU-Chef, dieser Eindruck verfestigt sich, gelingt es bei diesem Politischen Aschermittwoch nicht recht, seine Basis zu packen.
Für deftige Stammtischreden zum Beginn der Fastenzeit ist die Weltlage zu ernst. Das spürt auch Söder. Die Geschehnisse der vergangenen drei Wochen erschütterten sein Urvertrauen in die USA, sagt Söder. Ohne deren Hilfe sei die Ukraine höchst gefährdet, betont er.
Auf Polemiken gegen den politischen Gegner verzichtet Söder nicht völlig. Aber er versucht die Halle auch einzuschwören, auf die enormen Herausforderungen, die auf Deutschland und Europa zukommen.
Ein schwieriger Spagat. Dabei gilt Söder langjährigen Beobachtern ohnehin nicht als der geborene Aschermittwochsredner. Nun kämpft er mit der schwierigen Ausgangslange – und dem Bedeutungsverlust.
Wenig Bock auf Sondierungen
Den Politischen Aschermittwoch in Passau preist er als „Stammtisch der Bayern“. Auf diesen wollte Söder trotz der zeitgleichen Sondierungen von Schwarz-Rot in Berlin nicht verzichten. Am Dienstagabend drängte er die Sondierer zur Eile, weil er nach Passau musste. Für die Union hat das die Verhandlungen erschwert.
Dabei hatte Söder doch eigentlich versprochen, sich als CSU-Chef, wenn es drauf ankommt, in Berlin druckvoll einzumischen. Doch derzeit bestimmt CDU-Chef Friedrich Merz als kommender Kanzler eindeutig das Geschehen.
Hat Söder sich selbst verzwergt? Er versucht diesem Eindruck gleich zu Beginn seiner Rede entgegenzutreten. „Passau ist heute die Hauptstadt von Deutschland“, sagt er.
Die Übertreibung geht so weit an der Wirklichkeit vorbei, dass das Stilmittel seine Wirkung verfehlt. Denn während die CSU mit ihrem „weltgrößten Stammtisch“ (Generalsekretär Martin Huber) früher das Nachrichtengeschehen dominierte, wird hier heute nur diskutiert, wie in Berlin Historisches geschieht.
Wir müssen unser Land grundlegend aufrüsten.
CSU-Chef Markus Söder
Dort treffen sich die übrigen Sondierer zeitgleich mit dem scheidenden Kanzler Olaf Scholz (SPD). Die schwarz-roten Fraktionschefs verhandeln zudem mit der Fraktionsspitze der Grünen eine Verfassungsänderung im Eilverfahren, um hunderte Milliarden Euro zusätzliche Schulden zu ermöglichen - für die Sanierung der Infrastruktur und die Aufrüstung der Bundeswehr. Er habe, sagt Söder, solche Beschlüsse vor einigen Wochen noch nicht für möglich oder auch sinnvoll gehalten. Nun ist er überzeugt: „Wir müssen unser Land grundlegend aufrüsten.“
Die Grünen schont er trotz der Berliner Verhandlungen in Passau nicht. Schon Söders General Martin Huber hat sich hämisch gefreut, dass ihr gescheiterter Kanzlerkandidat Robert Habeck wieder Kinderbücher schreiben könne. Söder ruft Habeck nun hinterher: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) werde schon ein schönes warmes Plätzchen für ihn finden. „Auf nimmer Wiedersehen.“
In Berlin verärgert Söder damit die Co-Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, die Schwarz-Rot doch in den nächsten Tagen noch brauchen wird. „Was wir gerade von der CSU und insbesondere von Markus Söder hören, widert an“, sagt sie. Sie verurteilt „Mackergehabe“ und „Sprücheklopferei“.
Gegen die SPD stichelt Söder hingegen nur vereinzelt. Deren Parteichefin Saskia Esken habe während der Sondierungen gesagt, dass sie eine Nervensäge sein könne. „Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen“, sagt Söder. Doch diese Pointe geht in der Dreiländerhalle komplett unter.
Erst als Söder eine Kurswende in der Asylpolitik zur Voraussetzung für eine Koalition mit der SPD macht, gewinnt er die Aufmerksamkeit der Halle wieder zurück. Für Jubel sorgt auch, als er die Errungenschaften Bayerns preist – darunter die Fußball-Meisterschaften des FC Bayern und des 1. FC Nürnberg. Am Ende verabschiedet das CSU-Parteivolk ihn mit „Zugabe“-Rufen, die sich während seiner Rede nicht angedeutet haben.
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